SRF News: Sie haben diese Woche in der Schweizer Botschaft in Brüssel das Projekt «Riesco» EU-Verantwortlichen vorstellen können. Wie ist man in Brüssel auf Sie gekommen?
Heinz Gerig: Wir bekamen eine Einladung der Schweizer Botschaft. Vermutlich haben die beiden Dokumentarfilme des Schweizer Fernsehens über das Projekt das Interesse geweckt.
Was hat die EU-Verantwortlichen am meisten interessiert?
Es ging von Fragen zu Projekt-Teilnehmern über die Finanzierung bis zu Fragen nach Sanktionen. Das Interesse war gross. Wir hatten Anfragen aus Finnland, Norwegen, Schweden, Deutschland oder Österreich, ob wir an einer Zusammenarbeit interessiert wären. Denn alle Länder haben dieselben Probleme, und schlussendlich geht es immer um Menschen.
Was ist das Spezielle am «Riesco»-Programm?
Wichtig ist, dass zwei Praktika im ersten Arbeitsmarkt absolviert werden.Die Flüchtlinge erarbeiten sich zum ersten Mal ein Netzwerk und erhalten Zeugnisse von hiesigen Arbeitgebern. Ausserdem ist die Ausbildung sehr breit: Wir beginnen bei Werten und Normen, und wir haben keine Tabus.
Sie erklären den Flüchtlingen, dass niemand auf sie gewartet hat, dass sie mehr leisten müssen als Schweizer. Ist das Teil des Erfolgs?
Wenn man mit den Flüchtlingen ehrlich ist, bringt es sie weiter als zu viele Streicheleinheiten. Sobald sie ins Praktikum gehen, erleben sie die Wirklichkeit. Das löst häufig einen Schub an Aufnahmefähigkeit bei den Flüchtlingen aus.
In Luzern ist das Projekt zur Zeit auf Eis gelegt. Warum?
Im 2015 hat der Kanton Luzern beschlossen, das Projekt für ein Jahr auszusetzen. Wir haben uns im Herbst 2016 beim Regierungsrat gemeldet und gefragt, wie es weiter geht. Man hat uns nicht über die neue Strategie informiert. Aber kürzlich meldete sich das Amt für Berufsbildung. Der Kanton signalisiert, dass er wieder an Integrations-Vorlehren interessiert sei. Wir wissen allerdings nicht, ob wir als Partner dabei sind. Ich bin enttäuscht, dass der Kanton so zurückhaltend reagiert. Wir warten und hoffen, dass es weiter geht.
«Auf euch hat hier niemand gewartet»: Dok-Film von Beat Bieri
Ist der Kurs mit 27'000 bis 30'000 Franken pro Flüchtling zu teuer?
Denkbar, dass der Kanton das als zu teuer betrachtet. Aber unterdessen hat der Bund angekündigt, dass er 13'000 Franken pro Flüchtling beisteuern würde. Wir sind ein Non-Profit-Unternehmen und machen keinen Gewinn mit den Kursen. Die Investition lohnt sich aber. Denn ein Flüchtling, der nicht arbeitet, kostet Sozialhilfe. Wenn ein Flüchtling nach einer Ausbildung eine 80-prozentige Chance hat, sich aus der Sozialhilfe zu lösen, wird klar, dass es sich lohnt. Wir müssen dringend etwas unternehmen, um die Sozialausgaben in den Griff zu bekommen.
Dies ist eine gekürzte Version des Interviews. Das ganze Gespräch hören Sie im Audiofile.
Regionaljournal Zentralschweiz, 17:30 Uhr