«Sie haben grausam, kalkulierend und zynisch gehandelt und eiskalt jede Verantwortung für Ihre Taten abgelehnt. Für eine gerechte Strafe kommt nur ein lebenslanges Urteil infrage»: Mit diesen Worten wandte sich der Richter an die Angeklagte. Darauf liess er den Urteilsspruch folgen: «Lucy Letby, ich verurteile sie in allen sieben Fällen wegen Mordes.»
Der Fall wühlt derzeit ganz Grossbritannien auf. Die ehemalige Pflegefachfrau wurde wegen Verbrechen verurteilt, die jede Vorstellungskraft sprengen: In einem Spital in Nordengland tötete sie sieben Babys und versuchte es bei sechs weiteren.
Das Motiv für die Gräueltaten blieb im Prozess offen. Bis zum Ende bestritt die 33-Jährige die Taten. Der Urteilsverkündung blieb sie fern.
Patientinnen und Patienten vertrauen dem medizinischem Fachpersonal ihr Leben an. Wenn dieses «Gott spielt», wie es der Ankläger vor Gericht ausdrückte, ist dies der ultimative Vertrauensbruch – in die Institutionen als Ganzes.
Fälle wie in England gab es in der Geschichte immer wieder. Berühmt-berüchtigt sind die «Todesengel von Lainz»: In den 1980er-Jahren töteten vier Stationshilfen in einem Spital in Wien Dutzende Menschen. In den USA gestand der Pfleger Charles Cullen 2003, dass er über 16 Jahre bis zu 45 Patienten ermordete. In Deutschland wurde 2015 der sogenannte «Todespfleger» wegen 85 Morden verurteilt.
Hinschauen statt wegschauen
Die Schweiz wurde Anfang des Jahrtausends vom Fall des «Todespflegers von Luzern» erschüttert. Er mordete zwischen 1995 und 2001 in Pflegeheimen in der Zentralschweiz. Seine Opfer: Mindestens 22 pflegebedürftige alte Menschen.
Doch wie können Heime und Spitäler verhindern, dass das Personal Schutzbedürftigen über Jahre hinweg Leid zufügt und sogar ungestraft morden kann? Um das Risiko zu minimieren, gibt es Sicherheitsvorkehrungen und automatisierte Abläufe, erklärt Yvonne Ribi, die oberste Pflegefachperson der Schweiz.
Zentral sei auch, dass in jedem Team eine Kultur bestehe, dass Auffälligkeiten den Vorgesetzten gemeldet würden. Verdachtsmomente müssten ernst genommen werden. Und das auf allen Hierarchiestufen. Dem gibt auch die Charta des Heimverbandes Curaviva Ausdruck, die da heisst: «Wir schauen hin!»
Prävention beginne aber schon in der Ausbildung, sagt Ribi. «Pflegende sind sehr gut ausgebildete Fachpersonen – und das ist auch sehr wichtig.» Denn Fehler und Missbräuche können fatale Folgen haben. Wer Medikamente oder Infusionen verabreiche, trage eine grosse Verantwortung. Deshalb sei es in der Ausbildung wichtig, dieses Gefährdungspotenzial zu thematisieren.
Es müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit Pflegende ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen erledigen können.
Auch der technologische Fortschritt hilft, Missbräuche zu verhindern, sagt Ribi: «Wenn etwa Morphine verabreicht werden, wird das lückenlos registriert, wenn die Institution über solche Systeme verfügt.» Zudem müsse bei Medikamenten mit besonderem Gefährdungspotenzial das Vier-Augen-Prinzip angewendet werden. «Das gehört zu den betrieblichen Standards.»
Die Pflegenden in der Schweiz würden alles dafür tun, um die Unversehrtheit der Patientinnen und Heimbewohner zu garantieren, ist Ribi überzeugt. Zuletzt sieht sie aber auch die Politik in der Pflicht, um Fehler durch Stress und Überlastung zu vermeiden: «Es müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit Pflegende ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen erledigen können.»
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