Eine freie, unabhängige Presse: Was selbstverständlich sein sollte, wird zunehmend zu einem raren Gut. In sieben von zehn Ländern sei die Lage besorgniserregend, sagt die Organisation «Reporter ohne Grenzen» am Internationalen Tag der Pressefreiheit.
Ob in Russland oder China, in Mexiko oder Indien, vielerorts sind unabhängige und kritische Medienschaffende staatlicher Repression ausgesetzt oder werden von der organisierten Kriminalität bedroht.
Drei Beispiele von vielen
Der marokkanische Journalist Omar Radi wurde wegen unbelegter Spionage- und Vergewaltigungsvorwürfe zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Radi hatte aufgedeckt, wie Stammesland enteignet wurde, zugunsten von Clans, die dem marokkanischen Königshaus nahestehen.
Der kolumbianische Journalist Rafael Moreno wurde umgebracht – er hatte recherchiert, wie Bergbau-Unternehmen in Cordoba ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt ihre Minen betrieben.
Oder Daphne Caruana Galizia aus Malta, die mit einer Autobombe ermordet wurde: Sie war einem Netzwerk von staatlichem Filz, Korruption und organisierter Kriminalität auf der Spur.
«Kann nicht sein, dass Geschichte erledigt ist»
Drei von vielen Fällen, wo Medienschaffende mundtot gemacht werden sollten. Doch ihre Recherchen wurden weitergeführt, vom Netzwerk «Forbidden Stories». Denn: «Es kann nicht sein, dass man Journalisten umbringt und damit die Geschichte erledigt ist», sagt Journalist Oliver Zihlmann, Co-Leiter des Recherche-Desks der Tamedia-Zeitungen.
Zihlmann hat für den «Tages-Anzeiger» selber bei etlichen «Forbidden Stories» mitgearbeitet. Ein Beispiel sind die Enthüllungen über das sogenannte «Team Jorge», eine israelische Organisation, die in verschiedenen Ländern Desinformation betrieben, Accounts von Politikern und Politikerinnen gehackt und gar Wahlen manipuliert haben soll.
Wer ist «Forbidden Stories»?
Die Enthüllungen hätten den Anfang bei einer ermordeten Journalistin. «Gauri Lankesh wurde 2017 ermordet. Sie recherchierte über Fake-News.» Das Kollektiv habe dies zum Anlass genommen, das Thema Fake-News aufzugreifen. «Es kam erschreckend viel zusammen.»
Indem man die Arbeit von getöteten oder gefangenen Medienschaffenden weiterführe, sende man das Signal aus, dass sich die freie Presse nicht einschüchtern lasse.
Vorbeugende Wirkung
Dies wirke auch vorbeugend. Journalisten, welche sich bedroht fühlen, würden die Recherchen bereits verschlüsselt hochladen, so Zihlmann. «Sie machen dies auch öffentlich und sagen: Wer mich angreifen will, muss damit rechnen, dass ‹Forbidden Stories› meine Geschichte aufgreifen und die Geschichte weltweit verbreitet wird.»
Beispielsweise in renommierten Publikationen wie der «Süddeutschen Zeitung», dem österreichischen «Standard», im britischen «Guardian» oder in der «New York Times». Auch das Westschweizer Radio RSR arbeitet bei ‹Forbidden Stories› mit, wie auch viele Medien in Lateinamerika, Afrika und Asien.
In autoritären Staaten werden unabhängige NGOs und Medienschaffenden zunehmend als «Agenten des Auslands» gebrandmarkt. Damit versuchten diese Regimes deren Glaubwürdigkeit zu untergraben.
«‹Democracy dies in Darkness› schreibt die ‹Washington Post› auf ihrer Website.» Doch trotz all dieser Schwierigkeiten bleibe es wichtig, die freie Presse gegen Repression und Propaganda zu verteidigen, ist Zihlmann überzeugt.