Ausschaffungen erfolgen oft nachts. Rund zwanzig Männer erscheinen am Grenzübergang für Fussgänger in Tijuana. Gegenüber liegt San Diego, USA. Sie haben nichts oder nur einen Plastiksack dabei und spähen unsicher in die Dunkelheit.
Nur einer von ihnen will reden. «Ich habe meine Frau geschlagen. Sie rief die Polizei», erzählt er. Nach der Verhaftung habe er vier Jahre im Gefängnis gesessen, nun wurde er aus den USA nach Mexiko ausgewiesen.
Ausgeschafft nach 30 Jahren
Sein nächstes Ziel ist die Notunterkunft Casa del Migrante. Sie wird von der katholischen Kirche betrieben und ist eine der ersten Anlaufstellen für Männer, die aus den USA ausgeschafft wurden. Viele von ihnen haben Gewalttaten begangen. Aber nicht alle.
Angel Cabarilla putzt gerade die Küche. Der 33-Jährige wurde vor vier Monaten aus den USA ausgeschafft. «Ich war betrunken am Steuer und habe meine Busse bezahlt. Dann erhielt ich eine Vorladung vom Gericht. Dort sagte man mir, dass ich nach Mexiko geschickt werde.»
Cabarilla war 1986 als dreijähriges Kleinkind über die Grenze geschmuggelt worden. Die USA sind sein Zuhause. Zuletzt arbeitete er in der Computerindustrie im Silicon Valley. Er war noch nie in Mexiko und fühlt sich hier fremd. «Es ist hart. Meine Familie besucht mich einmal pro Monat. Da ich nicht verheiratet bin und keine Kinder habe, ist es meine Mutter, die ich am meisten vermisse.»
Unvorbereitete Behörden
Ähnliche Fälle hätten in letzter Zeit zugenommen, sagt Pfarrer Pat Murphy, der das Migranten-Haus in Tijuana leitet. «Donald Trump spricht oft von den ‹bad hombres›, den bösen Männern. Aber ich sehe hier viele, die nicht sehr böse sind.» Trumps Pläne, 10'000 neue Grenzwächter anzustellen und noch mehr Papierlose aus den USA auszuschaffen, stelle Tijuana vor grosse Probleme, sagt Murphy.
«Die Stadtregierung betont stets, dass sie vorbereitet sei. Das ist sie aber nicht. Es ist kein einziges zusätzliches Bett zur Verfügung gestellt worden. Wir von den zivilen Organisationen erledigen alles. Wir können hier 170, aber nicht 500 Männer aufnehmen. Wir bieten nämlich auch individuelle Betreuung an und Hilfe bei der Stellensuche», so der Seelsorger.
Wir beobachten die Politik des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Es wird eine schwierige Zeit.
Migranten stauen sich in Tijuana, auch von Süden her. Im letzten Halbjahr sind Menschen aus Afrika, Asien und Haiti in die mexikanische Grenzstadt gereist, um in den USA Asyl zu beantragen. Weil die US-Behörden keine Asylgesuche mehr akzeptieren, stecken viele von ihnen jetzt fest. Den Haitianern hat Mexiko inzwischen Aufenthaltsbewilligungen erteilt.
«Es droht eine Katastrophe»
«Jetzt planen 3000 Haitianer in Tijuana zu bleiben. Das ist schön und gut, aber wer bringt ihnen die Sprache und die Kultur bei? Wer hilft ihnen, sich zu integrieren?» kritisiert Murphy. Hinzu kämen die ausgeschafften Mexikaner aus den USA. «Es droht hier eine Katastrophe, wenn wir uns nicht organisieren.»
Im Rathaus von Tijuana ist man sich dessen bewusst. Cesar Palencia leitet eine Abteilung der Stadtregierung, die sich ausschliesslich mit den Ausgeschafften beschäftigt. Im letzten Jahr, noch unter US-Präsident Barack Obama, waren es 39'000. In diesem Jahr erwartet man mehr: «Wir beobachten die Politik des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Es wird eine schwierige Zeit», befürchtet Palencia.
Mexikos Regierung ist gefordert
Tijuana hat 36 Notunterkünfte für Migranten, die meisten davon werden von Kirchen betrieben. Die Stadt hilft ihnen wo sie kann mit Geld. Das reiche nicht aus, sagt Palencia. «Wir wollen mehr finanzielle Unterstützung von der mexikanischen Regierung. Tijuana ist die Stadt mit der grössten Zahl der Migranten aus den USA. Wir brauchen mehr Hilfe.»
Doch Mexiko hat genügend andere Probleme: der Drogenkrieg etwa und die Korruption. Es ist unwahrscheinlich, dass genügend Geld zur Verfügung gestellt wird, wenn mehr Menschen von den US-Behörden hierher über die Grenze geschickt werden. Tijuana, die Stadt der Ausgeschafften, muss wohl alleine damit fertig werden.