SRF News: Wie haben Sie reagiert, als Sie von den Verhaftungen in Zürich erfahren haben?
Guido Tognoni: Ich war eigentlich nicht überrascht – denn irgendetwas hat sich seit Längerem abgezeichnet. Es lag etwas in der Luft. Der Zeitpunkt war spektakulär, aber für die Strafverfolger wohl richtig. Überraschend kam er aber eigentlich nicht.
Das kann man auch im Internet überall lesen: Es hat niemanden überrascht. Das sagt eigentlich alles aus über die Fifa.
Ja, das sagt sehr vieles über die Fifa. Der Verband ist seit sehr vielen Jahren als korrupt bekannt. Allerdings betrifft das nicht nur die Fifa selbst, sondern auch die verschiedenen Konföderationen. Die aktuellen Verdächtigungen richten sich – wenn man sich auf die dünne Informationslage stützt – ja nach Süd- und Mittelamerika. Es trifft also nicht direkt die Fifa, aber Mitglieder, die in der Fifa eine bekannte und führende Rolle spielen.
Der Korruptionsverdacht kommt von Seiten der US-Justiz. Da muss wohl schon etwas dran sein.
Die US-Justiz ist natürlich auch dafür bekannt, dass sie gerne spektakuläre Aktionen im Cowboy-Stil macht. Das haben wir auch schon in anderen Fällen gesehen. Doch sie ermittelt schon lange und ist auch sehr unbarmherzig, wenn es um Devisen- und Steuervergehen geht – eigentlich immer, wenn es den Dollar betrifft.
Blatter wird sich feiern lassen können als möglicher Erneuerer der Fifa.
Was erwarten Sie?
- Liveticker: Verhaftungen bei der Fifa Liveticker: Verhaftungen bei der Fifa
- Der grosse Knall bei der Fifa: Die Fakten Der grosse Knall bei der Fifa: Die Fakten
- Diese Fifa-Funktionäre wurden in Zürich verhaftet Diese Fifa-Funktionäre wurden in Zürich verhaftet
- Hausdurchsuchungen bei der Fifa in Zürich Hausdurchsuchungen bei der Fifa in Zürich
Ich erwarte schon, dass da noch etwas kommt. Diese neue US-Staatsanwältin, die den Fall aufgezogen hat, kann sich ja keinen Fauxpas leisten. Ich gehe deshalb davon aus, dass einiges dahinter steckt. Die Schweizer Polizei hat diese Aktion für die Amerikaner sicher nicht einfach ausgeführt, ohne näher hinzuschauen. Man wird über das Sittenbild der Fifa – oder des Fussballs überhaupt, denn man muss vom Fussball reden – in den kommenden Wochen wohl noch einiges erfahren.
Die Fifa steht ja nicht zum ersten Mal wegen Korruptionsverdachts am Pranger. In der Vergangenheit hat sie sich jedoch nicht dadurch ausgezeichnet, dass sie die Verdachtsfälle transparent aufgearbeitet hätte. Was erwarten Sie dieses Mal?
Fifa-Präsident Sepp Blatter wird die Gelegenheit sicher benutzen, ein weiteres Mal dafür einzustehen, dass er den Verband reformiert und eine transparente und saubere Fifa will. Bis jetzt waren dies jeweils vor allem Ankündigungen. Es ist natürlich auch schwierig, 40 Jahre Korruption mit einer Aktion einfach wegzuwischen. Aber so, wie ich Blatter kenne – er ist ja nicht dumm – wird er den Kongress dazu benutzen, um zu sagen: ‹Seht her, ich habe euch schon vor vier Jahren gesagt, dass wir aufräumen müssen. Ich habe die Ethik-Kommission ins Leben gerufen.› Auch wenn inzwischen nicht allzuviel passiert ist: Ein Anfang ist gemacht und Blatter wird ihn dazu benutzen, sich neuerdings als Erneuerer der Fifa in Szene zu setzen.
Was würden Sie Blatter jetzt raten?
Ich würde ihm genau dies raten – in seiner Situation. Was kann er schon anderes machen? Er hat jetzt eine Plattform vor dem Fifa-Kongress. Im Moment mag das schlecht aussehen; aber wenn er die Lage taktisch gut ausnutzt, dann wird er im Kongress am Schluss wieder den grossen Applaus ernten und sich feiern lassen können als möglicher Erneuerer der Fifa.
Wird die Wahl des Fifa-Präsidenten am Kongress in Zürich überhaupt stattfinden?
Ich denke schon – wir sprechen jetzt ja kurz vor der offiziellen Medienkonferenz der Fifa. Sepp Blatter wird die Leute nicht einfach wieder nach Hause schicken. Es betrifft ihn ja auch nicht direkt. Im Gegenteil: Die Fifa wird die Gelegenheit haben, noch näher zusammenzurücken und zu betonen, wie gut die Familie ist und wie sauber das alles am Ende herauskommen wird. Ich gehe davon aus, dass Blatter mit grosser Mehrheit wiedergewählt wird. Die Wahl war in keiner Weise jemals gefährdet und ist es auch jetzt nicht. Blatter ist bis zur Stunde ja nicht in dieses Verfahren involviert, deshalb gibt es keinen Grund, an seiner Wiederwahl zu zweifeln.
Das Interview führte Romana Costa.