Seit in Syrien Krieg herrscht, sind sich die Regierungen nur in einem Punkt einig: Die Terrormiliz IS gilt allen als Feind. Es gibt tatsächlich keinerlei Beleg dafür, dass irgendein Staat den IS gezielt mit Waffen versorgt hat, bestätigt der bei den Waffenhandelsrechercheuren NGO Conflict Armament Research, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen für den Irak und Syrien zuständige Damien Spleeters.
Der IS deckte sich vielmehr in grossem Umfang mit modernen Waffen ein.
Das bleibt aber auch schon die einzige positive Erkenntnis. Drei Jahre dauerten die Recherchen, 200 Seiten umfasst das Ergebnis, mehr als 40'000 Fälle rund um die Waffengeschäfte und -produktion des IS wurden untersucht. Ergebnis: «Die auch vom IS selber verbreitete Behauptung, die Dschihadisten hätten hauptsächlich mit antiquierten, aus Armeebeständen erbeuteten Waffen operiert, stimmt nicht. Der IS deckte sich vielmehr in grossem Umfang mit modernen Waffen ein.»
Auch westeuropäische Waffen für den IS
Viele dieser Waffen liessen sich zurückverfolgen nach Russland, in osteuropäische Staaten, aber auch nach Saudi-Arabien, in den Iran und die USA. Auch in Westeuropa hergestellte Waffen fanden ihren Weg zum IS. All diese Länder belieferten zwar nicht selber den IS. Hingegen verhielten sie sich oft sträflich fahrlässig. Ist eine Ladung Waffen erst mal exportiert, besteht praktisch keine Kontrolle mehr, wohin sie am Ende gelangt.
Zwar enthalten heute viele Kaufverträge Re-Export-Verbote. Der Käuferstaat verpflichtet sich, Waffen ausschliesslich für die eigenen Sicherheitskräfte zu nutzen. Doch schon öfters gab es Fälle – auch bei Schweizer Waffenexporten, etwa an arabische Staaten – in denen diese Re-Export-Klauseln verletzt wurden.
Re-Export-Verbote weitgehend bedeutungslos
Die IS-Waffenbeschaffung zeigt nun: Es sind keineswegs rare Ausnahmen. Es ist eher die Regel. «Einmal sind die Klauseln von vornherein vage, ein andermal werden sie extrem grosszügig interpretiert. Oder bewusst missachtet», sagt Damien Spleeters. De facto seien Re-Export-Verbote oft das Papier nicht wert; sie seien weitgehend bedeutungslos.
Auffallend auch: IS-Kämpfer besassen teils exakt dieselben Waffen mit fortlaufenden Seriennummern wie die aus dem, von den USA, den Golfstaaten oder dem Iran unterstützten Milizen. Zum Teil erbeutete der IS diese Waffen im Kampf, zum Teil kooperierten sogenannte «gute Rebellen» weit enger mit dem IS, als man das im Westen wahrhaben wollte. Und sehr häufig lief der Waffenhandel über dubiose Mittelsmänner, die nicht bloss die von den Lieferländern gewünschten Truppen versorgten, sondern den IS gleich mit. Es fehlte also eine wirksame Kontrolle über den Endverbraucher. Grobfahrlässig angesichts der Natur des Syrien-Konflikts.
Auch selbst hergestellte Waffen
Schliesslich gelang es dem IS auch, potente Waffen in eindrücklichen Stückzahlen selber herzustellen, vor allem Bomben. Auch solche mit ausgeklügelten chemischen Zündern. Das Material dazu beschaffte die Terrormiliz in der Türkei, und zwar immer und immer wieder. Über Jahre hinweg. Auch hier gilt: Viel unternommen, um das zu verhindern, wurde offenkundig nicht.
Die immer noch aktiven IS-Kämpfer haben sich vertiefte Kenntnisse in der Herstellung von Waffen angeeignet.
Die Recherchen erhellen nicht nur die Vergangenheit, sie verheissen zugleich, so der Waffenhandelsexperte Spleeters, wenig Gutes für die Zukunft: «Der IS mag als Kalifat militärisch besiegt sein. Doch IS-Kämpfer sind noch in grosser Zahl aktiv. Sie haben sich vertiefte Kenntnisse in der Herstellung von Waffen angeeignet. Und erst recht in der Beschaffung von diversen Quellen.» All das ruft eigentlich nach einer rigiden Überwachung und strengen Richtlinien im internationalen Waffenhandel. Bloss: Danach sieht es im Moment nicht aus.