- Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu ist wenige Tage vor der geplanten Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten verhaftet worden.
- Das bestätigte die Oppositionspartei CHP, die Imamoglu zum Kandidaten für die reguläre Präsidentschaftswahl 2028 aufstellen will.
- Das Büro des Gouverneurs der Provinz Istanbul verhängte zudem eine viertägige Demonstrations-, Versammlungs- und Nachrichtensperre.
Dem wichtigsten politischen Konkurrenten von Präsident Recep Tayyip Erdogan werde die Führung einer kriminellen Vereinigung, Bestechung, Manipulation von Ausschreibungen und die Unterstützung einer terroristischen Organisation vorgeworfen, teilten die Behörden mit. Neben ihm wird demnach gegen 99 weitere Beschuldigte ermittelt.
Imamoglu veröffentlichte am Morgen auf der Plattform X ein Video, in dem er davon sprach, dass Hunderte Polizisten vor seiner Haustür stünden. «Wir befinden uns im Angesicht einer grossen Tyrannei», schrieb er dazu. Er werde aber nicht aufgeben. Mehrere Fernsehsender berichteten, die Polizei habe sich Zutritt zu Imamoglus Anwesen verschafft und das Gebäude durchsucht.
In Istanbul sind mehrere Strassen gesperrt worden. Vier Tage lang bleiben laut dem Gouverneursamt in der Innenstadt ausgewählte Strassen gesperrt, zudem werden mehrere Bahnstationen geschlossen. Auch seien alle Arten von Versammlungen und Demonstrationen bis zum 23. März verboten.
CHP-Chef Özgür Ozel sprach von einem Putschversuch und einem entscheidenden Moment für die Zukunft der türkischen Demokratie. Das Volk solle daran gehindert werden, den nächsten Präsidenten selbst zu bestimmen. Er rief die 1.7 Millionen Parteimitglieder dazu auf, trotz der Verhaftung am Sonntag an der partei-internen Wahl des CHP-Spitzenkandidaten teilzunehmen.
Vorwurf krimineller Aktivitäten
Die Staatsanwaltschaft Istanbul teilte mit, dass es bei den Ermittlungen gegen Imamoglu um zwei Verfahren gehe. Zum einen handle es sich um den Vorwurf krimineller Aktivitäten im Zusammenhang mit Ausschreibungen der Stadtverwaltung, in die 100 Personen verwickelt seien. Darunter seien Journalisten und Geschäftsleute.
Im zweiten Fall werde Imamoglu und sechs weiteren Personen vorgeworfen, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, die von der Türkei als Terrororganisation eingestuft wird, unterstützt zu haben.
Nach der Festnahme von Imamoglu meldete die Internetbeobachtungsorganisation NetBlocks, dass der Zugang zu mehreren Online-Plattformen in der Türkei eingeschränkt worden sei. Dazu zählten X, YouTube, Instagram und TikTok.
Universität entzieht Imamoglu akademischen Grad
Das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gegen Imamoglu hatte sich schon vorher angekündigt. Am Dienstag war bekanntgeworden, dass die Universität Istanbul ihm den Hochschulabschluss aberkannt hat. Dieser ist Voraussetzung zur Kandidatur für das Präsidentenamt.
Hintergrund der Annullierung soll ein angeblich unrechtmässiger Universitätswechsel sein. Imamoglu erklärte, er wolle gegen die Entscheidung vor Gericht ziehen, habe aber das Vertrauen in faire Urteile verloren. Ihm drohen in einer Reihe weiterer Verfahren Haftstrafen und Politikverbote.
Sein Anwalt Kemal Polat hatte der Deutschen Presse-Agentur vor Bekanntwerden des Haftbefehls gesagt, Imamoglu könne erst als Präsidentschaftskandidat antreten, wenn alle Rechtswege gegen die Entscheidung ausgeschöpft seien. Der Vorsitzende der CHP, Özgür Özel, sprach von einer politischen Entscheidung.