Schwer bewaffnet und zu allem entschlossen rücken Einheiten der Bundespolizei und der Streitkräfte in die Ortschaft Aquila im Westen Mexikos ein. Sie nehmen 45 Anhänger der Bürgerwehr fest, denen Entführung, Raub und unerlaubter Waffenbesitz vorgeworfen werden.
Soldaten in der Hand der Bürgerwehr
Eine Patrouille von 30 Mann sitzt wenig später selbst in der Falle. Aufgebrachte Dorfbewohner, darunter Frauen und Kinder, haben sie eingekreist. Sie sollen als Faustpfand dienen. «Unsere einzige Hoffnung war, so über die Freilassung der Festgenommenen verhandeln zu können», sagte der Sprecher der vor allem von Indios bewohnten Ortschaft, Octavio Villanueva, vergangene Woche dem Radiosender MVS.
Aus dem Tauschhandel wurde nichts. Die übrigen Soldaten befreiten ihre Kameraden. Dennoch sind die mexikanischen Sicherheitsbehörden beunruhigt. In den vergangenen Monaten sind Soldaten immer wieder in ähnliche Situationen geraten. Anfang August kesselten Dorfbewohner und selbst ernannte Gemeindepolizisten in der Ortschaft El Pericón im Bundesstaat Guerrero rund 60 Soldaten ein. Sie forderten die Streitkräfte auf, ihre Patrouillen in der Region einzustellen.
Vor diesem Hintergrund geht der mexikanische Staat verstärkt gegen die Bürgerwehren vor, wie der Journalist Klaus Ehringfeld, der in Mexiko lebt, gegenüber SRF 4 erläutert.
Eine neue Qualität
Ende Mai hielt die örtliche Bürgerwehr in der Ortschaft Buenavista Tomatlán in Michoacán eine Militärpatrouille mehrere Stunden in der Polizeiwache fest. Bürgerwehren oder «Policías comunitarias» (Polizei der Gemeinschaft), wie sie sich selbst nennen, blicken gerade in den von indigenen Volksgruppen geprägten Bundesstaaten im Südwesten des Landes auf eine lange Tradition zurück.
Seit Anfang des Jahres hat das Phänomen allerdings eine neue Qualität. Wo früher respektierte Dorfbewohner höchstens mit der Flinte die Regeln der Gemeinde durchsetzten, kontrollieren heute vermummte Männer mit modernen Sturmgewehren die Zufahrt zu den Ortschaften. Die Regierung vermutet, dass die Gruppen mittlerweile ihre eigenen Ziele verfolgen oder sogar mit dem organisierten Verbrechen kooperieren.
Das Mass war voll
«Das hat mit Gemeindepolizei nichts mehr zu tun», sagte der kommissarische Gouverneur von Michoacán, Jesús Reyna, nach der Kraftprobe in Aquila. Offenbar hätten die Dorfbewohner dort im Streit um Bergbautantiemen zu den Waffen gegriffen. In anderen Teilen des Bundesstaats dürfte das harte Regiment der «Caballeros Templarios» (Tempelritter) zum Aufblühen der Bürgerwehren geführt haben.
Seit Jahren müssen die Bewohner der Tierra Caliente eine Art Steuer auf jede Art von wirtschaftlicher Aktivität zahlen, doch nach einer Erhöhung der Abgaben Anfang des Jahres war das Mass voll. «Am Ende mussten wir dafür zahlen, leben zu dürfen», sagt der Sprecher der Selbstverteidigungskräfte von Tepalcatepec, José Manuel Mireles Valverde, in einem im Internet veröffentlichten Video. Die staatlichen Sicherheitskräfte würden ihnen nicht helfen. «Die Polizisten und die Kartell-Mitglieder frühstücken manchmal zusammen.» Also habe man das Recht in die eigene Hand genommen.
Gemeindepolizei als guter Weg
«Wir verteidigen unsere Dörfer», sagte im vergangenen Monat der Chef der Bürgerwehr in der benachbarten Ortschaft La Ruana, Hipólito Mora. Einige Bürgerwehren wurden bereits entwaffnet, andere haben sich nach Abkommen mit der Regierung demobilisiert. Auch Moras Männer tragen seit dem Einmarsch der Streitkräfte in der Region zumindest ihre Sturmgewehre nicht mehr offen. Verdächtige melden sie nun den Sicherheitskräften.
«Eine Art Gemeindepolizei kann ein guter Weg beim Kampf gegen die Unsicherheit sein. Aber sie muss legal sein und mit der Regierung zusammenarbeiten», schreiben Experten des Forschungsinstituts International Crisis Group in einer Analyse. «Gruppen, die das Recht in die eigene Hand nehmen, sorgen nur für mehr Menschenrechtsverletzungen und Blutvergiessen.»