Am 11. September 2012 kamen bei einem Terroranschlag auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi vier Amerikaner ums Leben, darunter auch der Botschafter. Warum wurden sie nicht besser geschützt? Viele Republikaner sind überzeugt, dass die damalige Aussenministerin Clinton eine grössere Schuld trifft, als sie bisher zugegeben hat.
Die Spannung ist spürbar im vollbesetzten Saal, in dem Hillary Clinton Red und Antwort steht. Es gehe hier einzig um die Wahrheit, betont der Republikaner Trey Gowdy, der den Bengasi-Sonderausschuss leitet: Für die Wahrheit gebe es keine Verjährungsfristen.
Sie sei vor dem Ausschuss aus Respekt vor den Leistungen der vier Amerikaner, die beim Anschlag in Bengasi ums Leben gekommen seien, erklärt Clinton. Alles sei längst gesagt und bereits mehrfach abgeklärt worden, schiebt sie nach. Die Arbeit des Ausschusses, das wird spürbar, ist ihr egal.
Politische Hetzjagd der Republikaner?
Für Clinton handelt es sich um eine politische Hetzjagd. Aussagen einiger Republikaner in den letzten Tagen scheinen ihr Recht zu geben. So sagte Kevin McCarthy, die Nummer zwei der Republikaner, gegenüber dem Fernsehsender Fox-News: «Alle waren überzeugt, Clinton sei unschlagbar. Wir haben einen Ausschuss ins Leben gerufen zu Bengasi. Und wo liegen Hillary Clintons Umfragewerte heute?»
«Blödsinn», erwiderte der Kongressabgeordnete Trey Gowdy noch vor Beginn der heutigen Anhörung, die bis zu acht Stunden dauern kann: «Diese Leute sind nicht im Ausschuss und haben gar keine Ahnung, was wir genau tun.»
Gowdy: neue Informationen
Der Ausschuss will laut Gowdy herausfinden, warum der Botschafter in Bengasi blieb, obwohl die Lage immer brenzliger wurde; warum Clinton nichts wusste von Gesuchen des Botschafters, die Sicherheit im Konsulat zu erhöhen. Und warum niemand den bedrängten Amerikanern zu Hilfe kam, als die Angriffe auf das Konsulat begannen.
Gowdy sagte, sein Ausschuss verfüge über neue Informationen. In der Tat: Zwar wurden die Terroranschläge vom Aussenministerium und sechs Ausschüssen untersucht. Aber erst Gowdys Team fand heraus, dass Aussenministerin Clinton auch für Dienstliches ein privates E-Mail-Konto benutzte.
Ein «typischer Clinton-Skandal»
Für den Journalisten David Graham, der für die Zeitschrift «The Atlantic» über den Fall geschrieben hat, entwickelt sich Bengasi immer mehr zu einem typischen Clinton-Skandal: «Etwas, was eigentlich keine grosse Sache ist, nichts Illegales, wird untersucht. Und plötzlich kommen neue Dinge zum Vorschein, die weitere Fragen aufwerfen und Clinton in ein schlechtes Licht rücken.»
Für viele ein Déjà-vu. Was in den Neunzigerjahren mit der Untersuchung des Whitewater-Immobiliendeals begann, führte am Schluss zu Monika Lewinsky und einem Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Bill Clinton.
Auch im Bengasi-Fall geht es längst nicht mehr nur um die Terroranschläge, sondern darum, ob der Einsatz eines privaten E-Mail-Kontos und eines privaten Servers erlaubt war; ob unter den von Clinton inzwischen gelöschten E-Mails auch solche waren, die für den Bengasi-Fall wichtig sind und ob sich klassifizierte E-Mails darunter befanden.
Selbst wohlwollende Demokraten sind genervt
Das Aussenministerium und Clinton rücken Infos und E-Mails nur zögerlich heraus, zum Teil nur auf richterlichen Befehl. Die Republikaner und der Ausschuss fühlen sich bestätigt, dass etwas vertuscht werden soll. «Auch viele Leute, die für Bill Clinton stimmten und für Hillary Clinton stimmen wollen, fragen sich, warum die Clintons immer von Skandalen umgeben sind», sagt Graham.
Diese Demokraten ärgern sich, dass ausgerechnet Clinton den Republikanern immer wieder neue Munition liefert. Sie haben Mühe damit, dass sie oft schlecht und spät reagiert und sich in Widersprüche verstrickt.
«Ich bin sicher, dass die Leute am Ende wissen, dass sie mir vertrauen können», sagte Clinton in einem Interview. Doch dieses Vertrauen ist selbst bei Demokraten etwas angekratzt.