Mutmasslicher Attentäter von Berlin getötet: Der flüchtige Tunesier ist im Grossraum Mailand bei einer Polizeikontrolle erschossen worden. Der europaweit Gesuchte habe anhand von Fingerabdrücken zweifelsfrei identifiziert werden können, sagte Italiens Innenminister Marco Minniti. Auch der deutsche Generalbundesanwalt Peter Frank bestätigte die Identität des Getöteten.
Schusswechsel bei Polizeikontrolle: Der 24-jährige Mann sei um 03:30 Uhr früh am Bahnhof Sesto San Giovanni, zwischen Mailand und Monza, von einer Polizeistreife kontrolliert worden, erklärte Innenminister Minniti. Es war allein unterwegs. Nach der Aufforderung, sich auszuweisen, habe der Gesuchte «ohne zu zögern» auf einen Polizisten geschossen.
Polizist bei Schiesserei verletzt: Laut dem Mailänder Polizeipräsidenten Antonio De Iesu haben die Polizeibeamten mit zwei Schüssen das Feuer erwidert und den Mann tödlich verletzt. Ein 29-jähriger Polizist wurde an der Schulter getroffen, schwebe aber nicht in Lebensgefahr.
Der Attentäter sei «höchst gefährlich» gewesen und hätte vermutlich erneut zugeschlagen. Die beiden jungen Polizisten hätten sich vorbildlich verhalten, betonte De Iesu. Sie hätten den Mann kontrolliert, weil er ihnen auffällig vorgekommen sei und die Beamten als «Bastarde» beschimpft habe.
Flucht über Frankreich nach Italien: Gegen den Attentäter war seit Donnerstag ein europaweiter Haftbefehl ausgestellt worden. Er sei mit dem Zug aus Chambéry in Savoien (F) nach Turin gefahren, sagte der Mailänder Antiterrorchef Alberto Nobili. Von dort aus sei er mit einem Regionalzug nach Mailand gefahren und gegen 1 Uhr angekommen.
Die Mailänder Polizei hatte keine Informationen, dass sich der Flüchtige nach Mailand abgesetzt hatte. Der Mann habe sich verdächtig verhalten und sei deswegen kontrolliert worden, sagte Polizei-Präsident Antonio De Iesu. Die Polizeistreife habe keine Ahnung gehabt, dass es sich um den mutmasslichen Berlin-Attentäter handeln könnte, sonst wäre sie vorsichtiger gewesen.
Mögliche Komplizen? Die Ermittlungen laufen nun «mit hoher Intensität weiter», erklärte der deutsche Generalbundesanwalt Peter Frank in Karlsruhe. Es müsse abgeklärt werden, ob dem Attentäter möglicherweise Komplizen bei der Flucht geholfen haben.
Weiter sei von Interesse, ob die Waffe des Täters in Mailand auch die Tatwaffe von Berlin sei, sagte Frank. Der Attentäter hat mutmasslich einen Angestellten einer Spedition mit einer kleinkalibrigen Waffe getötet und einen Lastwagen für seine Fahrt in einen Berliner Weihnachtsmarkt entwendet.
Verbindung zum IS unklar: Laut dem Generalbundesanwalt hat sich der Verdacht bisher nicht erhärtet, dass der Islamische Staat (IS) hinter dem Anschlag stehe. Das Bekenntnis des IS zu dem Anschlag sei zu allgemein gehalten und enthalte kein Täterwissen, sagte Frank.
Der IS teilte hingegen auf der Propaganda-Plattform Amak mit, der Mann habe in einem Video dem IS-Führer die Gefolgschaft zugesichert. IS-Gefolgsleute sollten sich in Europa an den «Kreuzfahrern rächen, die Mulsime bombardierten».
Konsequenzen in Deutschland: Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière bestätigte vor den Medien, dass es sich beim Erschossenen um den Tatverdächtigen aus Berlin handelt. «Ich habe meinen Amtskollegen zum Erfolg der italienischen Polizei beglückwünscht.»
Nach dem Tod des Attentäters sei die Zeit für für politische Konsequenzen gekommen. De Maizière verwies auf seinen schon länger vorliegenden Gesetzesentwurf zur Abschiebehaft von ausreispflichtigen Gefährdern. Darüber hinaus behalte er sich weitere Vorschläge vor, um Deutschland sicherer zu machen. Die Terrorbedrohung für Deutschland habe sich leider nicht geändert, «sie bleibt hoch».
Bundeskanzlerin Angela Merkel will ebenfalls rasch Konsequenzen ziehen: «Dort wo Bedarf für politische oder gesetzliche Veränderungen gesehen wird, werden wir notwendige Massnahmen in der Bundesregierung zügig verabreden und umsetzen.»
Merkel dringt auch auf raschere Abschiebungen nach Tunesien. Sie habe darüber mit dem tunesischen Präsidenten Beji Caid Essebsi gesprochen und ihm bei dem Telefongespräch gesagt, «die Zahl der Zurückgeführten müsse deutlich erhöht werden.»
Chronologie
Keine Verbindungen in die Schweiz: Beim Bundesamt für Polizei (fedpol) laufen Abklärungen, ob der getötete Attentäter aus Berlin je in der Schweiz gewesen ist. Ein direkter Bezug sei bislang nicht festgestellt worden, könne aber nicht ausgeschlossen werden, sagte fedpol-Sprecherin Lulzana Musliu.
Informationen aus Deutschland habe das fedpol laufend an die Kantonspolizeien weitergegeben. Nach dem Anschlag sei auch die Sicherheits-Taskforce des Bundes zusammengetroffen, sagte Musliu. Über diese Gruppe stehen die Sicherheitsbehörden von Bund und Kantonen, das Grenzwachtkorps und das Staatssekretariat für Migration (SEM) in Kontakt.