Gross war – zumindest der mediale – Aufschrei im März dieses Jahres als das britische Sensationsblatt «The Sun» auf seiner Titelseite verkündete, Queen Elisabeth II. stehe hinter einem Austritt Grossbritanniens aus der EU. Als Beleg dafür führte das Boulevardblatt zwei anonyme Quellen an. Diese wollten die Monarchin im Jahr 2011 dabei belauscht haben, wie sie zum damaligen Vizepremier Nick Clegg sagte, die EU entwickle sich «in die falsche Richtung». Über den sogenannten Brexit stimmen die Briten am 23. Juni ab.
Postwendend kam die geharnischte Reaktion aus dem Buckingham Palast: Dieser reichte Beschwerde beim britschen Presserat ein, zum ersten Mal überhaupt, und dementierte: Die Queen sei so neutral, «wie sie es seit 63 Jahren immer gewesen» sei. Aber war die Monarchin, die am Donnerstag ihren 90. Geburtstag feiert, tatsächlich immer neutral – oder liess sie in manchen Situationen ihre politische Haltung durchblicken?
«Die Frau ist ein Phänomen», meint SRF-Korrespondent Urs Gredig. Tatsächlich wisse man weder etwas zu ihren Parteipräferenzen, noch zu ihrer Haltung bezüglich politischer Fragen. «Sie ist eine Verfechterin dessen, dass sie über der Politik steht und sich nicht in deren Niederungen herablässt.»
Bei den Schotten ging sie soweit sie konnte
Nur einmal in den letzten Jahren sei die Queen von dieser Maxime leicht abgerückt. Nämlich, als es im September 2014 um die Unabhängigkeit Schottlands, also dessen Austritt aus dem Vereinigten Königreich, ging. Nach einem Kirchengang nahe ihrer schottischen Sommerresidenz Balmoral, sagte sie: Sie hoffe, dass die Menschen «sehr gut über die Zukunft nachdenken». Laut SRF-Korrespondent Gredig lasen darin sämtliche Politbeobachter heraus, dass sich die Queen gegen die schottische Unabhängigkeit stellt: «Damals war sie so weit gegangen, wie sie kann.»
Die Einschätzung der Politbeobachter wurde kurz nach der Unabhängigkeitsabstimmung bestätigt, die mit dem Verbleib Schottlands im Vereinigten Königreich endete: Premierminister David Cameron sagte beim Smalltalk mit New Yorks Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg ziemlich despektierlich, die Queen habe ob des Ergebnisses «gar nicht mehr aufgehört zu schnurren». Er merkte offenbar nicht, dass vor ihm bereits Pressemikrofone eingschaltet waren, die alles aufzeichneten. «Das brachte Cameron ziemlich in die Bredouille», so Gredig.
Denn der Premier hatte damit gegen die Regel verstossen, dass keinerlei Inhalte aus Gesprächen zwischen der Queen und dem jeweiligen Premierminister an die Öffentlichkeit gelangen dürfen. Und obwohl sich die beiden wöchentlich treffen, blieb die Haltung der Monarchin stets ein Geheimnis. «Einzig, dass sie und Margareth Thatcher sich nicht mochten, die Queen dafür mit Tony Blair ein gutes Verhältnis hatte, sickerte durch», sagt Gredig, «aber auch nur gerüchteweise».
Engagement für den Commonwealth
In einem verfolgt die Queen aber eine klare politische Agenda, wie SRF-Korrespondent Martin Alioth erklärt: «Es ist bekannt, dass der Queen das Commonwealth sehr am Herzen liegt und sie bei Regierungen darauf hinwirkt, dass sie dieses ernster nehmen.»
Konkret geht es also um die lose Verbindung jener 53 Staaten, die früher zum britischen Weltreich gehörten oder, wie im Falle von Mosambik, erst viel später beitraten. «Die Queen versucht, die Zukunft des Commonwealth zu sichern», sagt Alioth. Dies zeige sich allein schon durch die Reisetätigkeit der Monarchin oder mittlerweile vermehrt ihrer Familie, die sämtliche Commonwealth-Staaten mehrfach besuchten.
Ganz uneigennützig dürfte dieses Engagement aber nicht sein: Die Queen ist nämlich nicht nur das Oberhaupt des Commonwealth, sondern fungiert bei vielen Mitgliedsländern auch als Staatsoberhaupt. In manchen, wie beispielsweise Australien, werden die Rufe immer lauter, künftig ein eigenes Staatsoberhaupt einzusetzen statt dem gekrönten Haupt der Briten. Eine Charmeoffensive für ein positives Bild der Monarchie, kann also nicht schaden, wie Urs Gredig erklärt: «Die Queen versucht, die republikanische Idee so lange wie möglich aus diesen Ländern fernzuhalten.»