SRF News: Die AfD überholt die CDU. Wie ist das zu werten?
Peter Voegeli: Mecklenburg-Vorpommern ist mit 1,5 Millionen Einwohnern zwar nur ein kleines Bundesland und politisch für die gesamte Bundesrepublik nicht so wichtig. Aber das heutige Resultat ist trotzdem sehr relevant: Es ist ein Hammer für Angela Merkel.
Zur Abstimmung stand für die konservativen Wähler nicht die Landespolitik, sondern die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Eigentlich gibt es eine jahrzehntealte Regel, die besagt, dass es rechts von CDU und CSU keine andere Partei geben sollte. Jetzt gibt es mit der AfD eine, die sogar noch stärker ist als die CDU. Für die SPD-Wähler war vielmehr die Landespolitik entscheidend und deshalb hat sie relativ gut abgeschlossen. Eigentlich lebt die parlamentarische Demokratie in Deutschland von Regierung und Opposition. In Berlin und Schwerin regiert jedoch eine grosse Koalition. Es fehlt eine richtige Opposition und dann wählt man diejenigen, die laut schreien. 67 Prozent der AfD-Wähler haben die Partei gewählt, weil sie den anderen einen Denkzettel geben wollten.
Woher kommen die Stimmen für die AfD?
Die meisten kommen von bisherigen Nicht-Wählern. Die Wahlbeteiligung ist denn auch gestiegen. Am zweitmeisten Stimmen kommen von ehemaligen CDU-Wählern. Und auch von der rechtsextremen NPD und der Linkspartei wanderten viele Stimmen ab.
Auch aus den eigenen Reihen weht Angela Merkel ein rauer Wind entgegen.
Ist die Schlappe der CDU als schlechtes Vorzeichen für die Bundestagswahlen im nächsten Jahr zu werten?
Ganz bestimmt. Interessant ist auch, dass zwei Drittel der AfD-Wähler sagen, sie würden die CSU wählen, wenn diese nicht nur in Bayern zur Wahl stünde. Die CDU ist also offenbar für ihre potenziellen Wähler zu sehr Richtung mitte-links gerückt. Zudem wünschen sich 51 Prozent der Befragten keine vierte Amtszeit von Angela Merkel. Das ist nicht dramatisch, aber angesichts der astronomischen Zustimmungswerte vor der Flüchtlingskrise ist es doch bemerkenswert. Und auch aus den eigenen Reihen weht Merkel ein rauer Wind entgegen, denn die CSU will noch einige Inhalte klären, bevor sie sich hinter die Kanzlerin stellt. So etwas gab es bei einem amtierenden CDU-Kanzler noch nie.
Warum war das Thema Flüchtlingspolitik gerade in Mecklenburg-Vorpommern so dominant?
Es ist eigentlich ein Phantomschmerz. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es schliesslich nicht viele Flüchtlinge. Aber die meisten Wähler haben in einer Umfrage angegeben, dass sie nicht über Landes-, sondern Bundespolitik wählen. Flüchtlingspolitik ist also ein bundesweites Thema und so haben die Menschen gewählt. Insofern ist es auch eine Abstimmung über Angela Merkels Flüchtlingspolitik.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.