SRF News: Wird es dem französischen Präsidenten François Hollande gelingen, die ganz grosse Militärallianz zu schmieden?
Fredy Gsteiger: Das wird schwierig sein. Man wird zwar entschlossen verkünden, man kooperiere miteinander. Konkret wird man wahrscheinlich auch etwas enger zusammenarbeiten, als man es in den vergangenen Monaten und Jahren getan hat. Aber von einer Militärallianz im Sinne der Nato kann man sicher nicht sprechen.
Das hängt damit zusammen, dass die Ziele der verschiedenen Akteure extrem unterschiedlich sind. Russland hat immer wieder signalisiert, dass es nicht bereit ist, vom syrischen Diktator Assad abzurücken und seine Angriffe in Syrien auf die Terrormiliz zu konzentrieren. Frankreich, Grossbritannien und die USA auf der anderen Seite können nicht Assad als Teil der Lösung betrachten, wenn man weiss, dass er nach wie vor für die Mehrheit der Opfer im syrischen Bürgerkrieg verantwortlich ist.
Wenn wir davon ausgehen, dass ein solches Bündnis zustande kommt, was kann so eine Allianz in Syrien konkret bewirken?
Luftschläge allein reichen nicht aus, um eine Terrormiliz wie den IS zu schwächen.
Auch da muss man eher bescheidene Erwartungen haben. Man weiss, dass Luftschläge nicht ausreichen, um eine Terrormiliz wie den IS zu schwächen oder gar zu vernichten. Dazu bräuchte es Bodentruppen in beträchtlicher Zahl. Aber keiner der Partner ist dazu bereit.
Das ist auch verständlich, wenn man die Risiken kennt, die dort auf die Bodentruppen warten würden. Das heisst, man wird bestimmt mit etwas mehr und konzentrierteren Luftschlägen den Druck auf die Terrormiliz IS erhöhen können. Möglicherweise wird man auch deren Expansion bremsen können, aber den IS nachhaltig zu besiegen, dürfte kaum gelingen. Das zeigt auch Afghanistan. Dort ist es trotz jahrelangem Krieg und trotz grosser Militäreinsätze nicht gelungen, die Taliban nachhaltig zu besiegen.
In zwei Tagen wird der französische Präsident in Moskau erwartet. Der Einsatz Russlands in Syrien war bislang sehr umstritten. Von einer Koordination war kaum die Rede. Lässt sich der russische Präsident überhaupt in eine solche Koalition einbinden?
Putin wird sich wahrscheinlich nur so weit einbinden lassen, als es seinen Interessen dient. Und die sind einerseits immer noch, seinen Schützling Assad an der Macht zu halten. Darauf deutet auch sein Besuch beim obersten geistlichen Führer Irans, Ali Chamenei, hin. Russland und der Iran sind die beiden grossen Unterstützermächte Assads, die nach wie vor an ihm festhalten.
Ein Schulterschluss wäre in Russland gar nicht populär, denn man hat die russische Bevölkerung über lange Zeit anti-westlich indoktriniert.
Das zweite russische Ziel ist, den russischen Einfluss in Syrien und im Nahen Osten zu verteidigen oder allenfalls gar zu stärken. Es ist also sehr fraglich, ob der ganz grosse Schulterschluss zustande kommt. Er wäre zudem in Russland im Moment gar nicht populär. Man hat die russische Bevölkerung über lange Zeit antiwestlich indoktriniert. Wenn es jetzt plötzlich zu einer Militärallianz käme, wäre das für die Russen schwer zu verdauen.
Die diplomatischen Bemühungen sind gross. Im Anschluss an all die Besuche will Frankreich im UNO-Sicherheitsrat auch eine Antiterror-Resolution einbringen. Wie viel ist bloss Rhetorik und Symbolik und was wird sich tatsächlich im Syrienkonflikt ändern?
zu scIch denke, es ist sehr viel Symbolik dabei. Frankreichs Präsident Hollande, der Führer einer Nation, die unter Druck steht und deren Bevölkerung verängstigt ist, kann natürlich nicht einfach Gelassenheit propagieren. Er muss behaupten, man habe Handlungsoptionen und könne etwas tun. Alles andere wäre für ihn politisch sehr nachteilig. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, mit Militäroperationen aus der Luft in Syrien etwas zu erreichen, eher gering.
Europäische Dschihadisten sind nicht auf den IS angewiesen. Die können ihren ideologischen Nährboden auch bei anderen radikalen Bewegungen finden.
Aber selbst wenn es gelänge, den IS in Syrien auszuschalten, würde das noch längst nicht heissen, dass die Terrorattentate in Europa aufhören würden. Es gibt andere Terrorbewegungen und europäische Dschihadisten sind nicht so sehr auf den IS angewiesen. Die könnten ihren ideologischen Nährboden auch bei anderen radikalen Bewegungen finden.
Das Gespräch führte Maj-Britt Horlacher.