Gulbuddin Hekmatyar ist bekannt als der Mann mit dem schwarzen Turban. Einen anderen Spitznamen erhielt er nach seinen rücksichtslosen Bombardements von Wohngebieten in Kabul, anfangs der 90er-Jahre: Der Schlächter von Kabul.
Seine Milizen der Hizb-i Islami wurden im Krieg gegen die sowjetischen Truppen von Pakistan und den USA unterstützt. Nach deren Abzug brach in Afghanistan ein Bürgerkrieg aus, an dem Hekmatyars Truppen massgeblich beteiligt waren und der Kabul in Schutt und Asche legte.
Es wurde geplündert und vergewaltigt, etwa 50'000 Menschen verloren damals in der afghanischen Hauptstadt ihr Leben. Doch das sei nun alles vergessen und vorbei, sagt Amin Karim, der Chefunterhändler von Gulbuddin Hekmatyar: «Frieden macht man schliesslich nur mit seinen Feinden», sagt er.
Die Hizb-i Islami, die sich heute als politische Partei definiert, sei zur Einsicht gekommen, dass unter den Kämpfen vor allem die afghanische Bevölkerung leide. Eine zweifellos korrekte, jedoch späte Erkenntnis.
Ein enormer Schritt für die innerafghanische Aussöhnung.
Karim ist für die Friedensverhandlungen mit der afghanischen Regierung aus dem Elsass, wo er wohnt, nach Kabul gereist. Der Vertrag verspricht Hekmatyar und seinen Anhängern Schutz vor Strafverfolgung. Im Gegenzug legt die Hizb-i Islami die Waffen nieder.
Das sei historisch, behauptet Karim: «Es ist ein enormer Schritt für die innerafghanische Aussöhnung». In Kraft treten wird der Vertrag aber erst, wenn ihn der afghanische Präsident Ashraf Ghani und Hekmatyar selbst unterzeichnen.
Gebremste Euphorie bei Beobachtern
Beobachter betrachten den Friedensvertrag etwas weniger euphorisch. Von Symbolik spricht Timor Sharan von der International Crisis Group, einer NGO: «Es ist Ghanis Versuch den Taliban vorzuführen, dass Friede möglich ist.»
Die Taliban antworteten auf die Aussöhnung mit einer Attacke auf Kundus, der Geburtsstadt von Hekmatyar. Gesprächsbereitschaft sieht anders aus.
Vergleich mit Taliban hinkt
Dass die Taliban nicht so einfach an den Verhandlungstisch zu holen sind wie die Hizb-i Islami, sei logisch, meint Alexey Yusupov von der Friedrich Ebert Stiftung: «Sie kontrollieren grosse Teile des Landes. Sie sind eine ernstzunehmende militärische und politische Gegenmacht, mit der man keine vergleichbaren Verhandlungen führen kann.»
Denn die Hizb-i Islami spielt militärisch in Afghanistan kaum noch eine Rolle. Da sei die Verhandlungsposition der Regierung einfacher. Nun Rückschlüsse zu ziehen auf Friedensgespräche mit den Taliban, sei falsch, so Yusupov.
Was in Kabul als erster messbarer Erfolg der Regierung Ghani gefeiert wird, kritisieren die Beobachter. Vor allem, weil vieles im Friedensvertrag bewusst offen gehalten wurde. Zum Beispiel welche Rolle Hekmatyar künftig spielen wird? Amin Karim von der Hizb-i Islami lässt da keine Zweifel offen: Hekmatyar will wieder an die Macht.
Mit Hekmatyar an der Spitze würde die Hizb-i Islami 30 Prozent der Stimmen holen
1993 sowie 1996 bekleidete Hekmatyar kurzzeitig das Amt des Ministerpräsidenten, floh dann aber vor den Taliban ins iranische Exil. Den Weg zurück sollen ihm diesmal nicht Bomben und Kalaschnikows ebnen, sondern Wahlen. Heute besetzt der politische Arm seiner Hizb-i Islami 16 der 352 Sitze im Parlament.
Damit sei die Partei unterrepräsentiert, findet Amin Karim: «Rehabilitiert und mit Hekmatyar an der Spitze würde die Hizb-i Islami 30 Prozent der Stimmen holen», prophezeit er. Denn als islamische Partei vertrete sie überethnische Interessen. Amin rechnet mit einem kurzen Gedächtnis der Wähler in Afghanistan, vor allem jener in Kabul.
Wird Afghanistans Politik noch tiefer gespalten?
Dennoch Hekmatyar sei zwar eine unbekannte, aber starke Variable, sagt Timor Sharan von der International Crisis Group: «Hekmatyar geniesst vor allem unter den konservativen Paschtunen grosses Ansehen.» Eine Rehabilitierung Hekmatyars stelle aber die Regierbarkeit Afghanistans noch weiter in Frage, ergänzt Yusupov von der Friedrich Ebert Stiftung: «Je mehr man Machtzentren und Akteure inkorporiert, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es noch Konsens innerhalb der Regierung geben kann.»
Denn die Regierung ist jetzt schon gespalten in zwei Lager, die sich gegenseitig blockieren. Letzten April wurde mit Rashid Dostum als Vizepräsidenten noch ein weiterer ehemaliger Kriegsfürst mit ins Boot geholt. Einfacher wird das Regieren damit nicht. Dostum musste sich vor der Amtseinführung immerhin öffentlich für seine Gräueltaten entschuldigen. Im Friedensvertrag mit Hekmatyar ist das nicht vorgesehen.
Es ist ein schwacher Vertrag, der einem Kriegsfürsten rehabilitiert, ohne dass er vor Gericht erscheinen muss. Die Regierung in Kabul klammert sich an die dünne Hoffnung nach Frieden und lässt dabei die Gerechtigkeit aussen vor.