Im bosnischen Srebrenica ermordeten im Juli 1995 bosnisch-serbische Truppen rund 8000 muslimische Männer und Jungen. UNO-Blauhelme aus den Niederlanden hatten den Angreifern unter General Ratko Mladic die Stadt kampflos überlassen. Srebrenica wurde im April 1993 zur Schutzzone der Vereinten Nationen erklärt. Rund 42'000 Flüchtlinge und Einwohner suchten in der Kleinstadt Schutz.
2009 erklärte das Europaparlament den 11. Juli zum Gedenktag für die Opfer des schwersten Kriegsverbrechens in Europa seit 1945 – auch um westliche Staaten daran zu erinnern, dass sie das Massaker nicht verhinderten.
Das US-Repräsentantenhaus bezeichnet den Massenmord in einer Resolution zum 20. Jahrestag als Genozid. Für die Vereinten Nationen handelt es sich bei der Ermordung der Tausenden Muslime um einen Völkermord.
Moskau verhindert UNO-Resolution
Eben jene Bezeichnung ist Russland ein Dorn im Auge. Moskau hat per Veto eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates zum Massaker von Srebrenica verhindert, weil darin der Mord als Völkermord gewertet wurde.
Russlands UNO-Botschafter Witali Tschurkin nannte das Papier zum 20. Jahrestag der «unausgewogen» und «destruktiv». Es sei einseitig. «Dieses Papier hilft nicht der Versöhnung.» Russland ist ein enger Verbündeter Serbiens, das sich entschieden gegen den Text gewandt hatte.
«Wir haben alles getan, um Russland entgegen zu kommen», sagte US-Botschafterin Samantha Power. «Findet Russland etwa auch, dass eine Leugnung des Holocausts der Versöhnung helfen würde?», sagte die US-Diplomatin weiter. Grossbritanniens UNO-Botschafter Peter Wilson erklärte: «Russlands Handeln befleckt das Andenken an all die, die während des Völkermordes starben.»
Wenige Schuldsprüche
Das UNO-Kriegsverbrechertribunal für das frühere Jugoslawien in Den Haag hat bislang Anklage gegen 20 Männer für die Verbrechen in Srebrenica erhoben. Bisher wurden 14 Angeklagte für schuldig befunden. Es gab einen Freispruch. Ein Angeklagter starb während des Prozesses, vier Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.
Mehr als 1000 Zeugen sagten in den Verfahren aus. Darunter waren elf Männer, die die Massaker überlebt hatten. Einige hatten sich tagelang unter den Leichen verborgen.
Mladic und Karadzic noch nicht verurteilt
Drei Männer wurden bislang zu lebenslanger Haft verurteilt. Darunter ist Vujadin Popovic, Ex-Sicherheitschef des berüchtigten Drina-Korps der bosnisch-serbischen Armee. Elf ehemalige hohe bosnisch-serbische Offiziere wurden wegen Beihilfe zum Genozid zu Haftstrafen von fünf bis 35 Jahren verurteilt.
Die Prozesse gegen die beiden mutmasslichen Hauptverantwortlichen für den Völkermord sind noch nicht abgeschlossen. Noch in diesem Jahr soll der ehemalige Serbenführer Radovan Karadzic (70) sein Urteil hören. Er war nach jahrelanger Flucht 2008 festgenommen und an das Tribunal ausgeliefert worden. Dem ehemaligen Psychiater droht lebenslange Haft.
Milosevic konnte nicht mehr verurteilt werden
Der ehemalige bosnisch-serbische General Ratko Mladic (72) hatte das militärische Oberkommando des Überfalls auf die Enklave am 11. Juli. Er soll die Massenmorde angeordnet haben. Mladic war erst 2011 festgenommen worden. Ein endgültiges Urteil wird für 2017 erwartet. Auch ihm droht lebenslange Haft. Der frühere jugoslawische Staatspräsident Slobodan Milosevic starb vor Abschluss des Prozesses 2006 in seiner Zelle in Den Haag.
Nur wenige Angeklagte gaben ihre Schuld zu. Dazu gehörte Drazen Erdemovic, der an Erschiessungen beteiligt war und später gegen andere Offiziere aussagte. Er wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Momcilo Perisic, Ex-Offizier in der jugoslawischen Armee, ist bislang als einziger freigesprochen worden. In erster Instanz lautete das Urteil noch auf 27 Jahre Haft. Die Berufungskammer sprach ihn jedoch aus Mangel an Beweisen frei.