SRF News Online: Die Erwartungen an die Klimakonferenz in Warschau waren von Anfang an bescheiden. Ist dieser Pessimismus gerechtfertigt, oder darf man noch mit einer verbindlichen Einigung der Staatengemeinschaft rechnen?
Jürg Brunner: Noch steht das Ziel, bis 2015 in Paris einen für alle UNO-Staaten verbindlichen Vertrag abzuschliessen, der 2020 in Kraft treten soll. In Warschau wird nun erwartet, dass nicht nur die Industriestaaten, sondern auch die Entwicklungsländer klare Zielen formulieren, wie sie den Ausstoss von Treibhausgas verringern wollen. Die Entwicklungsländer machen dies unter anderem von der Bereitschaft der Industriestaaten abhängig, namhafte Beträge als Kompensation für allfällige Umweltschäden zu leisten. Die Voraussetzungen dafür sind allerdings äusserst schlecht. Japan, Australien und Kanada haben bereits angekündigt, dass sie ihre Klimaziele deutlich reduzieren.
Bei früheren Klimakonferenzen hatte man noch den Eindruck einer gewissen Dringlichkeit für das Thema. Ist dieser Schwung nun verloren gegangen oder täuscht dieser Eindruck?
Nach dem Desaster der UNO-Klimakonferenz in Kopenhagen vor fünf Jahren ist der Schwung tatsächlich verlorengegangen. Damals wollte man bereits einen für alle Staaten verbindlichen Vertrag in Kraft setzten. Die Politik hat inzwischen klar andere Prioritäten gesetzt. Die Klimapolitik ist aus den Traktanden gefallen. Wirtschafts- und Finanzkrise haben alle anderen, dringlichen Fragen überlagert. Viele private Initiativen weltweit, welche die Verringerung der Treibhausgase zum Ziel haben, sind seither aber auf den Weg gebracht worden. Man hat den Eindruck, dass der Bevölkerung der Ernst der Lage eher bewusst ist als der Politik.
Im Jahr 1997 schaffte man es, dass einige Staaten das Kyoto-Protokoll ratifizierten. Was war damals anders?
Damals war das Bewusstsein für den Klimawandel grösser. Dem jährlich erscheinenden Klimabericht der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), der den Klimawandel wissenschaftlich untersucht, wurde uneingeschränkt Glauben geschenkt. Mittlerweile sind die Ergebnisse der jährlichen IPCC Studie stark in die Kritik geraten. Die Ergebnisse werden teilweise kategorisch abgelehnt. Tatsächlich musste der IPCC immer wieder Resultate korrigieren. Die IPCC-Studie, die eigentlich die Leiplanke für politische Entscheide sein sollte, hat viel an Glaubwürdigkeit eingebüsst.
Es verpflichteten sich nur wenige Staaten für das Kyoto-Protokoll. Was bringt das überhaupt für das Klima?
Das Kyoto-Protokoll ist mittlerweile reine Makulatur. Darin haben sich nur noch wenige Länder verpflichtet, ihre C02-Emissionen zu reduzieren. Immerhin war es einmal der erste internationale Vertrag in Sachen Klima. Nur hat er sich auf die Industriestaaten beschränkt. Solange aber die grössten Treibhaussünder USA, China, Indien und andere nicht mitmachen, ist das Kyoto-Protokoll global gesehen wertlos.
Was hat man denn seit dem Kyoto-Protokoll erreicht?
Natürlich ist nicht nur alles negativ. Es ist ein Weg der kleinen Schritte bis zum Ziel 2015. Im Waldschutz beispielsweise wurden erhebliche Fortschritte gemacht. Auch die Gründung des sogenannten Green Climate Fund, in welchen die Industriestaaten Kompensationsgelder für die Entwicklungsländer zahlen, ist ein grosser Fortschritt. Doch solange sich die Staaten nicht auf verbindliche und überprüfbare Reduktionsziele einigen können, ist der Kampf gegen die Erderwärumg aussichtlos.
Welche Staaten setzen sich denn für einen neuen Klimaschutzvertrag ein und welche bremsen ihn aus?
Es ist vorallem die EU, aber nicht zu jedem Preis. Und es ist auch die Schweiz, die mit der EU am gleichen Strick zieht. Doch die wichtigsten Player sind und bleiben die USA, China und auch Indien. Also die grössten C0-2-Verschmutzer. Diese Staaten haben bisher jeden Fortschritt torpediert, mit dem Argument, die wirtschaftliche Entwicklung käme damit zum Erliegen. Zwar zeichnet sich bei einigen Fragen eine positive Entwicklung ab, doch die Gegensätze sind nachwievor unüberbrückbar, beispielsweise bei den C0-2-Reduktionszielen. Sie können auch in Warschau nicht gelöst werden.
Inwiefern erschwert das Gefälle zwischen Schwellen- und Entwicklungsländer und den Industriestaaten eine Übereinkunft?
Man hat den Eindruck, jeder wartet, bis sich der Andere bewegt. Die Entwicklungsländer stellen teilweise exorbitante Geldforderungen an die Industriestaaten. Die Industriestaaten sagen, Geld gibts nur, wenn ihr euch selber auch anstrengt, die Treibhausgase zu reduzieren. Dies ist nur ein, aber mit Sicherheit das wichtigste Problem. Wenn nicht einer zum Konses bereit ist, sehe ich schwarz für ein Abkommen.
Inwiefern hat der Taifun auf den Philippinen die Verhandlungen beeinflusst?
Die Ereignisse auf den Philippinen haben die Konferenzteilnehmer kurzzeitig irritiert. Die zahlreich anwesenden Klimatologen oder NGO's mehr als die Politik. Der philippinische Vertreter wollte die Gunst der Stunde natürlich nutzen. Niemand kann ihm das verdenken. Seine Forderungen nach Kompensation waren aber lächerlich hoch und wurden rundweg abgelehnt. Das ist nur eine der vielen Geschichten, welche eine UNO-Klimakonferenz schreibt.
Wer sind eigentlich die Gewinner und Verlierer, wenn keine Einigung erzielt wird?
Noch ist es nicht soweit. Wie gesagt, 2015 soll der Vertrag stehen. Erst dann lässt sich die Frage beantworten. Ich bin aber durchaus optimistisch, dass der Vertrag noch erreicht werden kann. Der bisher schon starke Druck der Öffentlichkeit darf bis dahin nicht erlahmen. Auch wenn das Fazit nach Warschau negatv sein sollte, man darf nie vergessen, Klimapolitik spielt sich nicht nur im Rahmen einer UNO-Klimakonferenz ab. Zahlreiche bilaterale Treffen werden stattfinden, wo an Positionen und Forderungen gefeilscht wird. Nur nimmt die Öffentlichkeit von diesen Treffen keine Notiz. Da ist ein jährliches Schaulaufen von 190 Staaten, mit zahlreichen Side-Events um ein vielfaches spektakulärer.
Das Gespräch führte Manuel Risi
Die bisherigen Verhandlungen um ein Klimaabkommen
1992: Der Klimawandel wird zum Thema
Im Jahr 1992 trafen sich 130 Staatsoberhäupter und 17'000 weitere Teilnehmer zum ersten Umweltgipfel in Rio de Janeiro. Zum ersten Mal wurde der Klimawandel als Problem benannt und thematisiert. Als Resultat wurde die Klima-Rahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) verabschiedet, um der Störung des Klimasystems Einhalt zu gebieten.
1997: Erstes bindendes Abkommen für den Klimaschutz
An der Klimakonferenz in Kyoto 1997 erreichten die Diplomaten die Unterzeichnung des ersten völkerrechtlich verbindlichen Klimaschutzabkommens. Das Kyoto-Protokoll beinhaltet klare Ziele wie der Klimawandel aufgehalten werden soll. Für Schwellen- und Entwicklungsländer wurden aber keine klaren Vorgaben gemacht und auch die USA ratifizierten das Abkommen nicht.
2008: Klimakonferenz im Schatten der Finanzkrise
Bei der 14. Klimakonferenz im polnischen Posen wurde die Umweltdebatte von der weltweiten Finanzkrise überschattet. Die Konferenz ging ohne greifbare Beschlüsse zu Ende. Eigentlich wollten die 11'000 Teilnehmer die Grundlage für ein neues weltweites Klimaabkommen legen, es blieb aber bei der Festlegung eines Programms für weitere Verhandlungen. Für Konflikte sorgte auch die Forderung der armen Länder, Gelder für die Anpassungen an den Klimawandel zu erhalten.
2009: Die Enttäuschung von Kopenhagen
Die Erwartungen an die Klimakonferenz in Kopenhagen waren gross, noch grösser wurde dann die Enttäuschung. Konkrete CO2-Reduktionsziele wurden wider Erwarten keine beschlossen und auch ein Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll kam nicht zustande. Im Abschlussdokument wird aber festgehalten, man wolle die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzen. Das Abschlussdokument «Übereinkunft von Kopenhagen» wird aber nur zur Kenntnis genommen und ist rechtlich nicht bindend.
2010: Kleiner Erfolg in Cancún
Nach der Enttäuschung in Kopenhagen, konnte sich die internationale Gemeinschaft in Cancún wieder auf gemeinsame Ziele verständigen. Die Reduktion der Erderwärmung um zwei Grad wurde völkerrechtlich bindend festgelegt. Um in stark betroffenen Regionen sofort eingreifen zu können wurde der «Green Climate Fund» (GCF) eingerichtet. Die Gelder des Fonds sollen vor allem in Entwicklungsländern eingesetzt werden.
2011: Ringen um Zugeständnisse
An der 17. Klimakonferenz schafften es die beteiligten Staaten nach zähem Ringen, sich auf einen Fahrplan zu einigen. Man beschloss, dass 2012 ein Nachfolge-Abkommen zum Kyoto-Protokoll gefunden und bis 2015 ein Weltklimavertrag beschlossen werden soll, der bis 2020 in Kraft tritt.
2012: Das Kyoto-Protokoll wird verlängert
Bei den Verhandlungen in Doha einigen sich die 37 Industrieländer, welche das Abkommen ratifiziert haben, auf eine Verlängerung des Vertrags bis 2020. Die Auswirkungen des Abkommens sind aber begrenzt, da die Unterzeichnerstaaten gerade mal für 15 Prozent des weltweiten CO2-Austoss verantwortlich sind.
2013: Rückschläge statt Fortschritte
Aktuell findet in Warschau die 19. UNO-Klimakonferenz statt. Über 190 Staaten beteiligen sich an der Konferenz. Bisher waren vor allem Rückschläge zu verzeichnen. Japan hat angekündigt seine Klimaschutzziele zu senken und auch Australien und Kanada wollen einen ähnlichen Weg einschlagen. Ziel der Verhandlungen ist es einen Grundstein für einen Klimavertrag zu legen, der 2015 abgeschlossen werden soll.