Die Zeitschrift «Stern» nannte sie den Albtraum des deutschen Wirtschaftsministers auf High Heels und fragte provozierend: Verkauft diese Frau Deutschland? Yi Sun lächelt milde beim Interview mit SRF in Düsseldorf.
Tatsache aber ist: Für elf Milliarden Euro haben chinesische Unternehmen 2016 in Deutschland investiert, zehnmal mehr als noch ein Jahr zuvor. Yi Sun ist Partnerin bei Ernst & Young. Sie ist die bekannteste Frau in Deutschland, die solche Übernahmen einfädelt.
«Heutzutage sind die Chinesen in Deutschland fast in jedem Sektor unterwegs, von Kliniken bis hin zu Müllverbrennungsfabriken», sagt die 42-Jährige und streicht hervor, dass nur kerngesunde Unternehmen gekauft würden.
Schnäppchen genügen längst nicht mehr
Früher waren chinesische Unternehmen mehr auf Schnäppchenjagd. Heute geht es darum, die Wertschöpfungskette zu verlängern. Chinesische Unternehmen wollen zum Beispiel nicht bloss Glas, sondern hochwertige Fenster herstellen können.
China war früher instinktiv ein Angstwort in Deutschland. Interessanterweise hört und liest man jetzt selbst von Seiten der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer positive Signale bei Übernahmen durch chinesische Firmen.
Beim Wort «interessanterweise» blickt Yi Sun erstaunt hoch: Die Zeiten seien längst vorbei, als Chinesen in Deutschland ein Stahlwerk noch Schraube für Schraube abmontierten und in China wieder aufbauten.
«The Chinese way» – sanfter als die Amerikaner?
Inzwischen hätten die Deutschen auch bemerkt und erlebt, dass Unternehmen nach chinesischen Übernahmen ganz normal weiterlaufen, so Yi Sun. Tatsächlich müsse man US-Firmen fast schon mehr fürchten, die jedes Unternehmen zuerst durchschüttelten und dann viel änderten: Ganz im Gegensatz zum «Chinese way»:
Wenn die Chinesen kommen, sind sie eigentlich sehr bescheiden, für mich schon fast zu bescheiden.
Yi Sun selbst dagegen hat genügend Selbstbewusstsein. Nach nur nur drei Jahren im Unternehmen ist sie bereits Partnerin bei Ernst & Young. Sie lacht und zitiert einen chinesischen Spruch: «Wenn man neu an einer Stelle ist, muss man vorher schon dreimal angelegt haben.»
Deutsche Kultur – von Nena bis Schnitzel
Ihre Grossmutter war katholisch, in der Familie sprach man Deutsch, obwohl es keine deutschen Wurzeln gibt. Yi Sun lernte an einer Eliteschule schon früh Deutsch. Sie sei schon sehr jung in Schanghai mit der deutschen Kultur in Berührung gekommen und habe etwa Nenas «99 Luftballons» rauf- unter runtergehört und «Tatort» geschaut.
Kürzlich habe sie eine alte Filmaufnahme von ihrer Schule in Schanghai gesehen, schmunzelt sie: Damals habe sie als 13-Jährige gelernt, mit Messer und Gabel ein Schnitzel zu zu essen. Die deutsche Kultur war Yi Sun von Kindheit an vertraut. Nur ihr Magen habe manchmal noch Heimweh, sonst sei sie perfekt assimiliert.
Sehr oft kauft Peking ein
Für manche deutsche Firma öffnet sich durch eine Übernahme auch der Zugang zum chinesischen Markt. Nicht vergessen sollte man aber: 70 Prozent der chinesischen Käufer sind Staatsfirmen. Maschinenhersteller wie Krauss Maffay sind da natürlich Perlen. Und solche Übernahmen – wie auch der Streit um den Verkauf des Roboterherstellers Kuka – wecken noch immer Misstrauen.
Aber obwohl das deutsche Aussenwirtschaftsgesetz eine Handhabe bietet, den Verkauf eines für die Sicherheit des Landes sensiblen Betriebs zu verbieten, ist es kaum je zu einem Verbot gekommen. Solche Dinge werden bereits im Vorfeld geklärt. Zum Beispiel durch Beraterfirmen wie Ernst & Young und Teams unter der Leitung von Yi Sun.
«The Chinese way» – bis zur Tür
Nach dem Interview fahren wir wie zufälligerweise zusammen mit dem Lift die 22 Stockwerke hinunter ins Erdgeschoss. Nach der Verabschiedung dreht sich Yi Su um und fährt mit dem Lift wieder hoch. Ein Managementmitglied einer deutschen Firma würde einen Journalisten kaum ins Erdgeschoss begleiten, um sich dort zu verabschieden.