In den nächsten Stunden treffen US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatschef Xi Jingping erstmals persönlich aufeinander. Zu bereden haben die beiden Spitzenpolitiker einiges – zumal sich die weltpolitische Grosswetterlage derzeit angespannt präsentiert: Die Konfliktherde auf der koreanischen Halbinsel, die Taiwan-Frage und die wirtschaftspolitischen Differenzen beider Grossmächte überschatten das Treffen der Präsidenten.
Deshalb haben die SRF-Korrespondenten Martin Aldrovandi in Schanghai und Priscilla Imboden in San Francisco die Spannungsfelder zwischen den beiden Grossmächten jetzt analysiert.
Nordkorea
Martin Aldrovandi, Schanghai: Die USA überschätzen den chinesischen Einfluss auf Nordkorea – glaubt zumindest China. Auch die Volksrepublik will kein Nordkorea mit Atomwaffen, jedoch will sie das System auch nicht stürzen oder das Land aushungern lassen. Ein Machtvakuum in Nordkorea oder einen «failed state» will China auf jeden Fall vermeiden. China wäre dann von einer Flüchtlingswelle betroffen und hätte bei einer Wiedervereinigung der beiden Koreas womöglich auch die US-Armee vor der eigenen Grenze.
Priscilla Imboden, San Francisco: US-Aussenminister Rex Tillerson erklärte am Freitag, dass die Strategie der letzten Jahre versagt habe: Nordkorea sei trotz aller Bemühungen zur Atommacht aufgestiegen. Ein Militärschlag bleibe eine Option, auch ein vorsorglicher, falls die USA der Ansicht sei, Nordkorea rüste zu stark auf. Das ist eine deutliche Abkehr der bisherigen Strategie, Nordkorea mit Verhandlungen und Sanktionen zu beeinflussen. Zudem verschickte Donald Trump einen Tweet, in dem er China vorwarf, seinen Einfluss auf Nordkorea zu wenig wahrzunehmen.
THAAD
Martin Aldrovandi, Schanghai: China ist skeptisch, dass die USA das Raketenabwehrsystem THAAD nur wegen Nordkorea aufstellen. THAAD ist für Raketen in grosser Höhe gedacht, nicht für tieffliegende Geschosse. China befürchtet, dass die USA mit dem Radarsystem des THAAD weit in das chinesische Territorium hineinblicken könnten und damit auch Raketenstarts der Chinesen überwachen.
Priscilla Imboden, San Francisco: Der Bau des Raketenabwehrsystems THAAD in Südkorea hat bereits begonnen. Das bestätigen die US-Behörden. Es soll ab April in Betrieb genommen werden. Es ist Teil der US-Strategie, um Südkorea und dort stationierte US-Truppen gegen Angriffe aus Nordkorea zu schützen. Das System sei alleine gegen Nordkorea gerichtet, sagen die USA. Experten bezweifeln, dass die USA dadurch deutlich mehr Informationen über chinesische Waffensysteme gewinnen könnten. Sie verfügten bereits über ähnliche Abwehrsysteme mit Radargeräte auf Katar und Taiwan, die Raketentests in China beobachten können.
Südchinesisches Meer
Martin Aldrovandi, Schanghai: China streitet sich mit den Anrainerstaaten im Südchinesischen Meer über mehrere Inselgruppen und Gewässer – am meisten Überlappungen gibt es mit Vietnam und den Philippinen. China will die Probleme ohne Einmischung der USA mit den betroffenen Ländern selbst lösen. Besonders genervt war China von US-Militärschiffen und -fliegern, die knapp an den Inseln vorbeifuhren oder -flogen.
Priscilla Imboden, San Francisco: Die USA möchten die Macht Chinas im Südchinesischen Meer in Schach halten, wegen der Handels-Schifffahrt und auch im Interesse von Alliierten wie Vietnam, den Philippinen und Japan. Im letzten Sommer hat ein internationales Gericht in Den Haag entschieden, dass China keinen Anspruch auf Gebiete im Südchinesischen Meer hat und dass die chinesischen Aktivitäten, wie etwa der Bau künstlicher Inseln, dort unzulässig sind. China hat erklärt, es werde diesen Entscheid ignorieren. Die USA haben seither ihre militärische Präsenz verstärkt und Kriegsschiffe, U-Boote und Kampfflieger in die Region geschickt.
Taiwan
Martin Aldrovandi, Schanghai: Trumps Gespräch mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen hat China schockiert. Trump twitterte auch noch darüber und nannte Tsai «Präsidentin». Seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Peking und Washington besteht China darauf, dass die USA weiterhin nur «ein China» akzeptieren, und dass Taiwan ein Teil davon ist. Zähneknirschend toleriert China, dass die USA einen «Taiwan Relations Act» haben und für die Verteidigung Taiwans sorgen – indem sie Taiwan etwa mit Waffen beliefern.
Priscilla Imboden, San Francisco: Im Februar hat Donald Trump einen Rückzieher gemacht und in einem Telefonat mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping die «Ein-China-Politik» Pekings bestätigt. Aussenminister Rex Tillerson wird dies in Peking wohl bestätigen müssen, wenn er keinen diplomatischen Eklat provozieren will. Die USA werden aber weiterhin Beziehungen zu Taiwan pflegen und der Inselrepublik militärische Hilfe leisten.
Handelskrieg
Martin Aldrovandi, Schanghai: Während Donald Trump von hohen Zöllen für chinesische Importe spricht, lobte Chinas Präsident Xi Jinping auf dem WEF den Freihandel, die Globalisierung und warnte vor Protektionismus. Premierminister Li Keqiang sagte am Ende des Nationalen Volkskongresses vergangene Woche, China wolle keinen Handelskrieg mit den USA. China würde auf hohe US-Zölle wohl ebenfalls mit hohen Zöllen reagieren: So importiert China im grossen Stil Autos aus den USA, aber auch Flugzeuge und Sojabohnen. Der Vorwurf Trumps, China halte die Währung künstlich tief, um die eigenen Exporte zu begünstigen, hält nicht mehr Stand. Während China dies früher tatsächlich tat, versucht die Regierung inzwischen, den chinesischen Yuan zu stützen.
Priscilla Imboden, San Francisco: China ist der wichtigste Handelspartner der USA. Und die Vereinigten Staaten haben das grösste Handelsdefizit mit China. Das heisst, das Reich der Mitte verkauft mehr Güter an die USA als umgekehrt. Präsident Donald Trump kritisiert das, weil gemäss seiner nationalistischen Wirtschaftspolitik mehr Produkte in den USA hergestellt werden sollten. Die USA werden es sich aber gut überlegen, bevor sie Importzölle verhängen und einen Handelskrieg anzetteln. Viele US-Amerikaner haben als Konsumenten von sinkenden Preisen profitiert dank den Importen aus China. Sie wären nicht erfreut, wenn viele Güter plötzlich teurer würden. Zudem lassen viele US-Konzerne wie etwa Apple ihre Produkte in China herstellen und wären ohne diese ausländischen Standorte nicht konkurrenzfähig.
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