Die rund zwei Millionen Einwohner der Krim entscheiden am Sonntag in einer Abstimmung, ob sie künftig der russischen Föderation (Russland) angehören oder bei der Ukraine bleiben wollen. Es gilt als sicher, dass eine Mehrheit für den Anschluss an die Russische Föderation stimmen wird. Das Vorgehen ist völkerrechtlich umstritten oder wird als illegal bezeichnet. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Situation auf der Krim:
Worum geht es im Referendum auf der Krim?
Die Krim hat heute den Status einer Autonomen Republik in der Ukraine. Das pro-russische Parlament der Krim beschloss, über die Unabhängigkeit eine Volksabstimmung durchzuführen. Damit soll der Parlamentsentscheid von der Bevölkerung legitimiert werden.
Wie lautet die Abstimmungsfrage?
Das Referendum
Der Abstimmungszettel ist drei Sprachen abgefasst: russisch, ukrainisch und krimtatarisch. Es werden zwei Fragen gestellt:
- «Sind Sie für die Einbindung der Krim in die russische Föderation als Teil der Föderation?»
- «Sind Sie für die Wiederherstellung der Verfassung von 1992 mit dem Status der Krim als Teil der Ukraine?»
Neben den jeweiligen Fragen gibt es ein leeres Kästchen zum Ankreuzen.
Ein «Nein» steht nicht zur Auswahl.
Wie stehen die Bevölkerungsgruppen zum Referendum?
Russische Staatsbürger stellen mit fast 60 Prozent den grössten Bevölkerungsanteil auf der Krim. Diese Mehrheit möchte so schnell wie möglich Russland beitreten.
Vor allem die Ukrainer selbst, die rund 25 Prozent der Bevölkerung ausmachen, sind für eine Unabhängigkeit der Krim innerhalb der Ukraine.
Die Minderheit der Krimtataren (12 Prozent der Bevölkerung) fürchtet sich vor einem Anschluss an Russland. Sie wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von Stalin wegen angeblicher Kollaboration mit Hitler-Deutschland nach Sibirien deportiert. Der Tataren-Rat der Halbinsel hat darum zum Boykott des Referendums aufgefordert.
Welches ist die strategische Bedeutung der Krim?
In Sewastopol ist die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist. Der Pachtvertrag läuft bis 2042. Auch die ukrainische Marine mit insgesamt 15‘000 Soldaten hat 10‘000 Mann auf der Krim stationiert. Die einst freundlich gesinnte russische Flotte blockiert aber heute den Hafen und damit die ukrainischen Kriegsschiffe, die jahrelang friedlich Seite an Seite ankerten. Für Russland ist der Stützpunkt zudem ideal, weil er das für Unterseeboote notwendige Tiefwasser hat.
Warum der Streit seit Jahrzehnten um die Halbinsel Krim?
Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte das 26‘100 Quadratkilometer grosse Gebiet zu Russland. Chruschtschow machte es 1954 zu einem Teil seiner Heimatrepublik Ukraine innerhalb der Sowjetunion. Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist die Krim eine autonom verwaltete Region. Anfang der 1990er Jahre konnte die Ukraine nur mit Druck ein Referendum über die Unabhängigkeit abwenden. Als Zugeständnis wurde 1992 die Autonome Republik Krim eingerichtet.
Wie verhält sich die Ukraine gegenüber der Krim?
Das geplante Referendum ist in der ukrainischen Verfassung nicht vorgesehen und damit illegal, sagt Übergangspräsident Alexander Turtschinow. Laut Verfassung dürfen einzelne Gebiete der Ukraine keine Volksabstimmungen beschliessen. Daraufhin erklärte das pro-russische Krim-Parlament die Halbinsel formell für unabhängig von der Ukraine, um die Abstimmung rechtmässig zu machen. Im Gegenzug drohte das ukrainische Parlament der regionalen Volksvertretung mit der Auflösung.
Was will Russland mit der Krim?
Militäreinheiten besetzen seit einer Woche die Halbinsel. Russland bezeichnet die uniformierten Bewaffneten ohne Hoheitsabzeichen als «Selbstverteidigungskräfte», die aber nicht unter dem Kommando des Kreml stünden.
Kreml-Chef Wladimir Putin behauptet immer wieder, Russland erwäge keinen Anschluss der Krim. Das Engagement Moskaus diene allein dem Schutz der russischen Bürger im Nachbarland.
Trotzdem erlässt die russische Staatsduma extra ein Sondergesetz, damit die Halbinsel ein Teil Russlands werden kann. Der russische Föderationsrat als zweite Kammer hat bereits Zustimmung zu diesem «historischen Schritt» signalisiert. Die letzte Entscheidung liegt bei Präsident Wladimir Putin.
Wie steht die OSZE zum Referendum?
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) definiert Sicherheit nicht nur politisch-militärisch. Für sie ist Sicherheit bedeutsam für die Dimensionen Wirtschaft, Umwelt und Menschen, vor allem hinsichtlich der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit mittels Wahlbeobachtungen.
Die Schweiz hält derzeit den OSZE-Vorsitz und hat die Entsendung eines rund 100-köpfigen Beobachter-Teams vorgeschlagen. Bundespräsident Didier Burkhalter als Vorsitzender hält das Referendum auf der Krim aber für illegal.
Russland billigte am Donnerstag erstmals offiziell eine Entsendung von OSZE-Beobachtern in die Ukraine einschliesslich der Krim. Für eine diplomatische Beobachtermission ist im Gegensatz zur bereits durchgeführten militärischen OSZE-Beobachtermission die Zustimmung aller 57 Mitgliedsländer der OSZE nötig – einschliesslich Russland. Zuvor waren OSZE-Militärbeobachter in der Region, doch der Zugang zur Krim wurde ihnen teils mit Waffengewalt verwehrt.
Was ist der «Bogen der Angst» in Osteuropa?
Viele an Russland angrenzende Länder im Osten Europas bilden den sogenannten «Bogen der Angst», wie ihn der Osteuropa-Experte Stefan Meister bezeichnet. Der Bogen umfasst das Baltikum (Estland, Lettland und Litauen), Polen, Rumänien, Moldawien und reicht bis Georgien. Vor allem die ehemaligen Sowjetrepubliken mit hohem Anteil an russischstämmigen Bürger fürchten sich vor der offensichtlichen Expansionspolitik Putins.
Auch Tschechien und Polen sind misstrauisch. Beide Länder haben mit Russland ungute Erfahrungen gemacht und halten eine Kriegsgefahr «vor der eigenen Haustüre» für real.
Wie sieht die völkerrechtliche Situation für die Krim aus?
Die pro-russische Führung hat die Krim zum unabhängigen Staat erklärt. Ein souveräner Staat ist definiert als ein politisch und rechtlich organisierter Personenverband (Staatsvolk), der auf abgegrenzter Fläche (Staatsgebiet) einer Bevölkerung eine eigene Ordnung (Staatsgewalt) gibt. Das Völkerrecht räumt der territorialen Integrität der Staaten einen hohen Stellenwert ein. Aber Separatismus (Absonderung) oder Sezession (Abtrennung) von Teilgebieten ist möglich.
Die Abtrennung von Staatsteilen ist meist mit militärischen Auseinandersetzungen verbunden. 1990 spaltete sich das an Russland grenzende Südossetien und die Schwarzmeer-Region Abchasien von der Kaukasus-Republik Georgien ab. Ebenso trennte sich Transnistrien von Moldawien. Auch hier ist es Russland, das seit 1993 mit «Friedenstruppen» die Abtrennung des Gebietes garantiert.
Wie stellt sich die Europäische Union zur Krim?
Bis 2011 verhandelte die EU mit der Ukraine über ein Freihandelsabkommen. Der abgesetzte Präsident Viktor Janukowitsch richtete sich aber aussenpolitisch auf Russland aus. Der gemeinsame Wirtschaftsraum mit Weissrussland, Kasachstan und Russland (Eurasische Union) erschien ihm wichtiger.
Die EU bekundete aber Mühe, dass die Ukraine gleichzeitig eine Zollunion mit Russland und eine Freihandelszone mit der EU eingehen wollte. Unter dem Druck Moskaus legte Janukowitsch die Verhandlungen mit der EU auf Eis und wandte sich Russland zu.
Mit dem Ausbruch der Krim-Krise hat die EU Sanktionen gegen Russland in Form von Kontensperrungen und Reiseverboten verhängt. Die EU betrachtet das Referendum über die Loslösung der Krim von der Ukraine als völkerrechtswidrig. Mehrere Aussenminister von EU-Staaten hatten zuvor eine Einigung und die Absetzung von Janukowitsch nach dem Aufstand auf dem Maidan-Platz in Kiew unterstützt.
Wie verhalten sich die USA zum Referendum auf der Krim?
Neben Sanktionen haben die US-Regierung und der Kongress Russland aufgefordert, alle Truppen umgehend von der Krim abzuziehen. Beide Parlamentskammern fordern zudem den Ausschluss Russlands aus der Gruppe der acht weltweit führenden Industrienationen (G8). Das Referendum wird auch von den USA als völkerrechtswidrig angesehen.
Wie verhält sich die Nato?
Die Mitgliedstaaten des militärischen Nordatlantikpakts haben den Einsatz von Awacs-Überwachungsflugzeugen bewilligt. Die fliegenden Radarstationen kreisen derzeit demonstrativ über Polen und Rumänien in Grenznähe zur Ukraine.
Die USA haben mit den Nato-Partnern Rumänien und Bulgarien auch eine Militärübung im Schwarzen Meer begonnen.
Wie stellen sich die Vereinten Nationen zur Krim-Abstimmung?
Der UNO-Sicherheitsrat drängt Russland zu Verhandlungen mit der Ukraine und warnt Putin vor einer Eingliederung der Krim. Die Ukraine selbst hatte die Sitzung des UNO-Sicherheitsrates beantragt. Bisher konnte sich der Sicherheitsrat aber noch nicht auf eine gemeinsame Position einigen, weil Russland als ständiges Mitglied ein Vetorecht bei den Entscheidungen des Gremiums hat.