Die Türkei ruft als Reaktion auf die Armenien-Resolution des Bundestages ihren Botschafter aus Berlin zurück. Der Botschafter werde zu Beratungen nach Ankara reisen. Dies teilte Ministerpräsident Binali Yildirim nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit. In einer Rede in Ankara sprach er von einer «rassistischen armenischen Lobby», die für die Entscheidung verantwortlich sei.
Zudem wurde der Geschäftsträger der deutschen Botschaft in Ankara ins Aussenministerium einbestellt.
«Schäden drohen»
In einer ersten Reaktion sagte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, die Armenien-Resolution werde «ernste» Folgen für die Beziehungen der beiden Länder haben. Es drohe ein Schaden in den «diplomatischen, wirtschaftlichen, geschäftlichen, politischen und militärischen Beziehungen» zu Deutschland.
Erdogan bestätigte während eines Besuches in Kenia den Rückruf des Botschafters. An einer Pressekonferenz in Nairobi sagt er, er habe wegen der Bundestags-Resolution mit Yildirim telefoniert. Nach seiner Rückkehr in die Türkei werde über die Angelegenheit beraten werden.
Wohl keine Konsequenzen für Flüchtlingsdeal
Dass Erdogan nun den Flüchtlingsabkommen mit der EU platzen lässt, glaubt Ruth Bossart, SRF-Korrespondentin in Istanbul, aber nicht. «Sein Premierminister hat mehrfach bestätigt, dass dieser Pakt mit der EU abgeschlossen worden ist und nicht mit Deutschland. Ergo: Das Abkommen steht nach der Armenien-Resolution eigentlich nicht zur Disposition.»
Fakt sei aber, dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wichtigster Ansprechpartner im Vertrag ist. «Dieser steht ja schon heute auf wackligen Füssen. Da sind natürlich getrübte türkisch-deutsche Beziehungen wenig hilfreich.»
Resolution einstimmig angenommen
Kanzlerin Merkel betonte heute ihrerseits die engen Verbindungen zwischen Deutschland und der Türkei. Auch wenn man in einer Frage unterschiedlicher Meinung sei, so seien doch die freundschaftlichen und strategischen Beziehungen gut, sagte die Kanzlerin in Berlin. Die Bundesregierung wolle den Dialog zwischen der Türkei und Armenien fördern.
Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier äusserte die Hoffnung, dass sich aus der Resolution keine dauerhafte Belastung im Verhältnis zur Türkei entwickelt. Steinmeier sprach von einer «unabhängigen Entscheidung des Bundestags», auf die die Türkei «erwartungsgemäss» reagiert habe. «Ich hoffe, dass es uns gelingt, die nächsten Tage und Wochen miteinander so zu gestalten, dass es zu keinen Überreaktionen kommt.»
Der Bundestag hatte am Mittag die seit Wochen diskutierte Armenien-Resolution nahezu einstimmig verabschiedet. In der von Union, SPD und Grünen getragenen Erklärung wird die Ermordung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern während des Ersten Weltkrieges als Völkermord bezeichnet.
«Historischer Fehler»
Der türkische Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus nannte die Verabschiedung der Völkermord-Resolution zu den Massakern an den Armeniern im Bundestag einen «historischen Fehler».
Für die Türkei ist diese Entscheidung nichtig.
«Als Türkei werden wir auf diese Entscheidung natürlich auf jeder Plattform die nötige Antwort geben», teilte Kurtulmus auf Twitter mit. Die Verabschiedung der Resolution passe nicht zur Freundschaft zwischen der Türkei und Deutschland. Die Resolution sei «verzerrt und haltlos».
Türkei «leugnet weiter»
Armenien hingegen begrüsste die Bundestags-Resolution. Deutschland und Österreich als ehemalige Verbündete des Osmanischen Reiches hätten ihren Teil der Verantwortung am Völkermord an den Armenieren anerkannt, sagte Aussenminister Edward Nalbandian. Dagegen leugne die Türkei weiter «hartnäckig die unbestreitbare Tatsache des Genozids durch das Osmanische Reich».