Der als mutmassliche Drahtzieher der Anschläge von Paris gesuchte Abdelhamid Abaaoud ist bei der Polizeiaktion nördlich der französischen Hauptstadt getötet worden. Das teilte die Pariser Staatsanwaltschaft nach der Untersuchung der Leiche mit.
Die genauen Umstände des Todes von Abaaoud sind noch ungewiss. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, es sei unklar, ob sich der Belgier selbst in die Luft gesprengt hat oder nicht. Sein Tod sei durch Fingerabdrücke bestätigt worden, hiess es weiter. «Es war die Leiche, die wir in dem Gebäude gefunden haben», so die Staatsanwaltschaft.
Ministerpräsident Manuel Valls gab Abaaouds Tod im Parlament bekannt, als die Abgeordneten über die Verlängerung des Ausnahmezustands abstimmten. «Heute wissen wir, dass der Drahtzieher – oder einer von ihnen, um vorsichtig zu sein – unter den Toten war», sagte er.
In Deutschland kontrolliert, aber nicht festgenommen
Derweil berichtet «Spiegel Online», dass sich Abaaoud mehrfach in Deutschland aufgehalten habe. Die deutsche Bundespolizei habe ihn unter anderem am 20. Januar 2014 am Flughafen Köln-Bonn kontrolliert, als er nach Istanbul habe fliegen wollen.
Belgien hat Abooud damals zur Kontrolle im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben. Das bedeutet, es war nicht vorgesehen, den Mann aufzuhalten oder festzunehmen. Ein Bundespolizei-Sprecher: Die Beamten hatten demnach keinen Grund, Abaaoud die Weiterreise zu untersagen. Die Kontrolle sei indes an Belgien gemeldet worden.
Hinweis als Auslöser
Bei dem fast siebenstündigen Anti-Terror-Einsatz hatten Elite-Einheiten am Mittwoch im Vorort Saint-Denis eine Terroristenzelle ausgehoben. Dabei war auch eine Frau ums Leben gekommen, die offenbar eine Sprengstoff-Weste gezündet hatte. Dabei handelt es sich um die Cousine von Abaaoud. Zudem gab es acht Festnahmen.
Staatsanwalt François Molins sagte, Auslöser des Einsatzes sei ein Hinweis gewesen, demzufolge sich Abaaoud in Saint-Denis aufhalten sollte. Die Nachrichtenagentur Reuters erfuhr aus Polizeikreisen, dass die Gruppe einen Anschlag auf den Finanzbezirk La Defense geplant hatte. «Dass Gefahr in Verzug gewesen sei, steht für den Generalstaatsanwalt fest», sagte SRF-Korrespondent Michael Gerber in Paris. Die Terrorzelle von St-Denis sei sehr entschlossen, schwer bewaffnet und straff organisiert gewesen. Dies hätte ihr ermöglicht weitere Anschläge zu verüben.
Abaaoud, der für den IS in Syrien gekämpft haben soll, hat marokkanische Wurzeln. Er lebte früher in der Brüsseler Islamistenhochburg Molenbeek. Der Islamist sei möglicherweise in vier weitere teils vereitelte Anschläge verwickelt gewesen, sagte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve. Dazu gehöre auch der verhinderte Anschlag im Thalys-Schnellzug zwischen Brüssel und Paris im August. Abaaoud sei 2014 von Belgien nach Syrien gereist.
Mehrere Razzien in Belgien
Zuvor hatte die belgische Polizei sechs Durchsuchungen in Stadtteilen von Brüssel durchgeführt, die im Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris vom Freitag stehen. Dies teilte die dortige Staatsanwaltschaft mit.
Eine Razzia habe in dem von vielen Einwanderern geprägten Stadtteil Molenbeek stattgefunden. Dort hatte einer der Hauptverdächtigen der Anschläge, Salah Abdeslam, mit seinen beiden Brüdern gelebt. Nach ihm wird gefahndet, während einer seiner Brüder sich bei den Anschlägen in die Luft sprengte.
Aus Polizeikreisen hiess es, auch im Brüsseler Stadtteil Jette fänden Razzien statt. Über mögliche Festnahmen wurde vorerst nichts bekannt. Die Staatsanwaltschaft teilte weiter mit, dass bei einer weiteren Polizeiaktion eine Person festgenommen wurde.
Razzien im direkten Umfeld von Hadfi
Die Razzien stehen demnach in «Verbindung mit Bilal Hadfi», einem der Selbstmordattentäter von Paris. Bei der Aktion wurden mehrere Häuser durchsucht.
Die Durchsuchungen fänden «in Hadfis direktem Umfeld, seiner Familie, seiner Freunde» statt, sagte der Behördensprecher weiter.Die Aktion steht nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht direkt mit den jüngsten Anschlägen in Paris in Zusammenhang. Die Untersuchung habe bereits Anfang 2015 begonnen, als Hadfi nach Syrien ausgereist war.
Die Fahnder nahmen eine Person fest. Der 20-jährige Bilal Hadfi war einer der Selbstmordattentäter von Paris. Er ist ein französischer Staatsangehöriger, der in Belgien lebte, und soll sich in Syrien dem IS angeschlossen haben.
Brüssel will Kampf gegen Islamismus verstärken
In der Zwischenzeit teile die belgische Regierung mit, den Kampf gegen islamistische Gewalttäter mit zusätzlichen 400 Millionen Euro zu verstärken. Zu den zusätzlichen Massnahmen, die Ministerpräsident Charles Michel verkündete, gehören die Inhaftierung von Anhängern der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS), die von Syrien nach Belgien zurückkehren.
Darüber hinaus sollen Gesetze gegen Hassprediger verschärft und nicht anerkannte Gebetsstätten geschlossen werden. Ausserdem soll der anonyme Kauf von SIM-Karten für Handys unterbunden werden, sagte Michel vor dem Parlament in Brüssel.
Der Regierungschef sprach sich zudem für schärfere Kontrollen an den Aussengrenzen der Europäischen Union (EU) aus und kündigte an, dass ein belgisches Kriegsschiff den französischen Flugzeugträger «Charles de Gaulle» bei dessen Einsatz gegen den IS unterstützen werde.