Der Gaza-Konflikt mobilisiert: In verschiedenen europäischen Ländern gehen die Menschen auf die Strasse. Immer wieder kommt es dabei auch zu antisemitischen Äusserungen. Auch in der Schweiz wird Israel an Kundgebungen und in sozialen Medien heftig kritisiert. Dabei wird Israel oft mit dem Judentum gleichgesetzt.
Das sei kein neues Phänomen, sagt Yves Kugelmann. Er ist Chefredaktor des jüdischen Wochenmagazins «Tachles». «Wir hatten dasselbe vor drei Jahren beim ersten Gaza-Konflikt, oder auch während des Libanon-Krieges, als jüdische oder israelische Themen im Fokus standen», sagt er gegenüber SRF.
Der Hass gegen Juden in der Schweiz habe eine neue Dimension erreicht, schrieb Herbert Winter, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), am Dienstag im «Tages-Anzeiger». Die Facebook-Seite des SIG war zuvor mit üblen Beschimpfungen eingedeckt worden.
Kugelmann sieht darin grundsätzlich keine Steigerung: «Es gibt schon seit jeher Morddrohungen, verbrannte Israel-Fahnen und virulente Aufrufe gegen Juden.»
Vorgehen gegen antisemitische Gruppen?
Ihn überrasche allerdings, dass der Israelitische Gemeindebund das erst jetzt zur Kenntnis nehme. «Mir wäre es lieber gewesen, er hätte dies in den Zeiten vor dem Konflikt stärker beobachtet», sagt Kugelmann. Er vermisst auch ein Einwirken auf die antisemitischen Gruppen, die Winter anprangert – etwa jene aus dem Balkan.
Neben den Protesten in der Schweiz prägen dieser Tage auch in Deutschland, Frankreich und Österreich Gewaltparolen die Israel-kritischen Demonstrationen. Anton Pelinka, Politologe und Experte für Rechtsextremismus, ist besorgt über das Ausmass der Aggression.
Zwischen der Kritik an der israelischen Politik auf der einen Seite und der Ablehnung des Staates Israel werde oft kein Unterschied gemacht, kritisiert auch er. Ein Grund dafür sei, dass der alte Antisemitismus immer weitergelebt habe. «Jetzt geben die Auseinandersetzungen rund um den Gazastreifen und Israel quasi eine Rechtfertigung dafür, dass dieser alte Hass wieder an die Oberfläche kommt», erklärt Pelinka.
Rechtsextreme mischen sich unter Demonstranten
Einen weiteren Grund sieht er in der Zuwanderung von Muslimen. «Der Islam, sei er aus der Türkei, aus Tschetschenien oder arabischen Ländern, fühlt sich diskriminiert in Europa und findet eine gemeinsame Identität in der Ablehnung Israels.» Der nächste Schritt sei die Ablehnung des Judentums, so Politologe Pelinka.
Er vermutet, dass sich auch Rechtsextreme unter den Kundgebungsteilnehmern befinden. Sie nutzten die Gelegenheit, um gegen Juden zu hetzen. «Sicher ist, dass es einen Gleichklang zwischen Islamisten und traditionellen Rechtsextremisten gibt, wenn es um Israel geht.» Dies sei unabhängig davon, dass der Rechtsextremismus anti-islamisch ist: «Das Feindbild ist Israel.»