Serbien verhandelt ab Dienstag offiziell in Brüssel über einen EU-Beitritt – und das mit einem klaren Ziel: Bis 2018 will man die Verhandlungen abgeschlossen haben und 2020 bereits Mitglied der EU sein. Serbien macht auf Tempo. Der SRF-Südosteuropa-Korrespondent in Belgrad, Walter Müller, winkt ab: «Besonders realistisch scheint mir dieser Zeitplan nicht. Die Verhandlungen innerhalb von sechs Jahren abzuschliessen, hat noch kein EU-Mitglied geschafft.»
Doch Serbiens Ministerpräsident Ivica Dacic gibt sich kämpferisch: «Wir wollen kein Durchschnittsland sein, sondern an der Spitze.» Serbien will also den Rekord brechen und drängt nicht ohne Grund zu einem raschen EU-Beitritt.
Wirtschaft im freien Fall
Denn die EU-Beitrittskriterien sind der einzige Hebel für die dringenden Reformen in allen Bereichen des Staates. «Serbien ist immer noch in der mühsamen Umstellung von der sozialistischen Planwirtschaft des alten Jugoslawiens in die kapitalistische Marktwirtschaft. Serbiens Wirtschaft ist eigentlich schon lange im freien Fall», sagt Müller.
Die Regierung hält sich mit Krediten über Wasser, der Schuldenberg steigt täglich, Industrie und Landwirtschaft produzieren nicht genug, alles ist veraltet. Da komme die EU gerade recht, denn sie stelle Millionen Euro zur Verfügung für die Modernisierung der Wirtschaft und der Infrastruktur des Staates. Mit diesem Geld soll Serbien als zukünftiges EU-Mitglied wettbewerbsfähig gemacht werden. Der Südosteuropa-Korrespondent betont: «Die Mehrheit der politischen Parteien in Serbien sehen keine andere Alternative als den EU-Beitritt, um wirtschaftlich überleben zu können.»
Das Parlament in Belgrad hatte auch eine Reihe von Gesetzesänderungen beschlossen, um den Anforderungen der EU an Rechtsstaatlichkeit zu genügen. Die Verhandlungen werden zwischen Serbien und den Regierungen der 28 EU-Staaten geführt, die bei allen Etappen einstimmig entscheiden müssen.
Lange wollte aber die EU nichts von Beitrittsverhandlungen mit Serbien wissen. Erst nachdem Serbien sich mit Kosovo auf ein gemeinsames Management der Grenze und über Streitfragen im serbischen bewohnten Norden des Kosovos geeinigt hatte, war es soweit. Doch Serbien sei keineswegs politisch gefestigt, bestätigt der SRF-Korrespondent: «Noch bei jeder Parlamentswahl hat die Diskussion um vorgezogene Neuwahlen schon kurz danach wieder angefangen.»