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International «EU muss schauen, dass ihr der Laden nicht um die Ohren fliegt»

Dass sich die Briten für den EU-Austritt entschieden haben, hat ihnen die Gratulationen der EU-kritischen Parteien Europas eingebracht. Sie sehen den Brexit als Vorbild für eigene Austrittsbestrebungen. Von der Hand zu weisen sei ein Domino-Effekt in der Tat nicht, sagt EU-Experte Klaus Armingeon.

SRF News: Klaus Armingeon, besteht nach dem Brexit-Entscheid der Briten tatsächlich die Gefahr eines Domino-Effekts?

Klaus Armingeon: Das ist schwer zu sagen. Natürlich gibt es starke rechtspopulistische Kräfte wie beispielsweise in Frankreich den Front National. Aber für einen Austritt ist eben auch eine Grundstimmung gegen die EU in der Bevölkerung nötig. Und gerade in Frankreich haben jüngst 52 Prozent der Befragten gesagt, die EU-Mitgliedschaft sei eine gute Sache. Insofern wäre derzeit ein Austritt Italiens wahrscheinlicher. Dort bewerteten nur 40 Prozent der Befragten die Mitgliedschaft positiv. Aber klar, die Gefahr besteht auch in Frankreich, Österreich oder den Niederlanden. Die EU muss schauen, dass ihr der Laden nicht um die Ohren fliegt.

In den mittel- und osteuropäischen Staaten erwarten Sie keine ernsthaften Austritts-Bemühungen?

Klaus Armingeon

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Legende: zvg

Armingeon ist Professor für Vergleichende Politik und Europapolitik an der Universität Bern und forscht schwerpunktmässig zu Strukturen und Politiken der Europäischen Union. Im Vorstand des European Consortium for Political Research betreute Armingeon bis 2012 das Dossier Forschung und Europa.

Mit Sicherheit ist das nicht zu sagen. Aber die Wahrscheinlichkeiten sind geringer als in der «alten» EU. Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Slowenien und Kroatien profitieren enorm von den Zahlungen aus den Strukturfonds der EU. Spätestens beim Blick ins Portemonnaie werden sie es sich sehr gut überlegen, ob sie darauf verzichten wollen. Hinzu kommt, dass der Eintritt in die Europäische Union für die ehemaligen Ostblock-Staaten vor gut zehn Jahren so etwas wie ein Beweis dafür war, jetzt zum demokratischen Europa zu gehören. Das gibt man nicht so schnell auf.

Wie kann die EU die Gefahr eines Domino-Effekts nach dem Brexit auch in den «alten» Mitgliedstaaten eindämmen?

Sie wird insbesondere gegenüber Grossbritannien eine relativ harte Politik verfolgen, damit kein anderes Land auf die Idee kommt, dem britischen Beispiel zu folgen. Und dann muss sie ihre zentralen Probleme zu lösen versuchen: Die Flüchtlings- und die Euro-Krise. Aber das sind gewaltige Baustellen.

Wäre es nicht ein Zeichen der Zeit, den Mitgliedstaaten wieder mehr Souveränität zuzugestehen?

Natürlich, das ist ja auch eines der Konzepte, die in der EU diskutiert werden. Das andere ist jenes von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der mehr Integration will, also mehr gemeinsame Regelungen. Nur sind mit beiden Konzepten weder die Euro- noch die Flüchtlingskrise zu lösen.

Die wahrscheinlichste Lösung ist, dass man so weitermacht wie bisher.

Und was diese zentralen Probleme der EU betrifft sind Änderungen der bisherigen Politik zumindest kurzfristig kaum denkbar. Bei jetzt noch 28 Mitgliedstaaten ist die Chance gross, dass einer nicht einverstanden sein wird. Die wahrscheinlichste Lösung ist also, dass man so weitermacht wie bisher.

Institutionalisierte Refrom-Unfähigkeit also?

Das klingt mir zu negativ. Auch in der Schweiz haben wir ja viele Hürden im politischen Prozess, wo einfache Mehrheiten nicht ausreichen. Und dennoch hat die Schweiz sich relativ flexibel an neue Herausforderungen angepasst. Auch die Europäische Union hat diese Fähigkeit übrigens in vielen Bereichen bewiesen. Es braucht einfach Zeit. Aber klar ist: der EU stehen harte Zeiten bevor. Im Bereich der zentralen Probleme gibt es viele Baustellen, überall kann es regnen und die Baugrube kann voll Wasser laufen.

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