Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel drohte dem russischen Staatschef Wladimir Putin hart wie nie zuvor mit dauerhaften Konsequenzen bei der Krim-Krise.
Bei der zweiten Stufe der Sanktionen gegen Russland sei eine Beschlagnahmung von Vermögen und Visa-Verweigerungen für eine Gruppe von Personen vorgesehen, die in der Ukraine und Russland für die Eskalation verantwortlich seien. Das kündigte Angela Merkel nach einem Gespräch mit ihrem polnischen Amtskollegen Donald Tusk in Warschau an. «Wenn es keine Kontaktgruppe gibt, wenn die Gespräche nicht erfolgreich sind, sind Sanktionen unabdingbar.»
Ich glaube, dass wir einen sehr langen Atem brauchen.
«Wir haben einen sehr ernsten Konflikt innerhalb Europas», so Merkel. In den Gesprächen der vergangenen Tage mit Russland habe es keine Fortschritte gegeben.
Beide warnten, dass sich die EU auch auf einen langen Streit mit der Regierung in Moskau einstellen müsse. «Ich glaube, dass wir einen sehr langen Atem brauchen», sagte die Bundeskanzlerin.
Der Beschluss darüber könnte bei einem Treffen der EU-Aussenminister am Montag in Brüssel fallen, einen Tag nach dem umstrittenen Referendum auf der Halbinsel Krim über eine Loslösung von der Ukraine.
EU-Abkommen für nächste Woche geplant
Auch über das geplante Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine äusserten sich Merkel und Tusk. Teil eins des Abkommens soll schon kommende Woche auf dem EU-Gipfel unterzeichnet werden.
Ende November hatte die Ukraine das weitreichende Assoziierungsabkommen auf Eis gelegt, nachdem das wichtige Nachbarland Russland mit Wirtschaftssanktionen gedroht hatte. Das Land sei wirtschaftlich noch nicht reif für einen solchen Schritt, sagte der damalige Präsident Viktor Janukowitsch.
G7 droht mit «weiteren Massnahmen»
Auch die G7-Staaten verschärften ihre Haltung gegenüber Moskau. Sie warnten Russland in einer gemeinsamen Erklärung eindringlich vor einer Annexion der Krim und drohten «weitere Massnahmen» an, falls Moskau die Souveränität der Ukraine nicht achte.
Zu den G7 gehören Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA. Auch die EU nimmt an den Beratungen teil. Die G7 wurde 1998 durch Aufnahme Russlands zur G8 erweitert. Die sieben Staaten hatten bereits ihre Arbeit an der Vorbereitung des G8-Gipfels ausgesetzt, der Anfang Juni im russischen Sotschi geplant ist.
Kreml zeigt keine Reaktion
Während nun schon seit Tagen konkrete Massnahmen gegen Russland diskutiert werden, zeigt sich Moskau scheinbar unbeeindruckt von diesen Embargo-Plänen. Die Abstimmung auf der Krim über den Anschluss an Russland sei rechtmässig, lässt der Kreml via Fernsehen verlauten. Die Wahlvorbereitungen liefen problemlos ab.
Dennoch zeigt die Krim-Krise erste Auswirkungen, sagt SRF-Korrespondent Christof Franzen. «Der Rubel hat massiv an Wert verloren, die Preise für Importprodukte sind stark angestiegen.» Ungeachtet dessen sitzt Putin weiterhin fest im Sattel. Die Umfragewerte seien so hoch wie lange nicht mehr. Franzen führt das auf die russische Propagandamaschine zurück.
Obama trifft Jazenjuk
US-Präsident Barack Obama hat der Übergangsregierung in Kiew im Machtkampf mit Russland demonstrativ seine Unterstützung zugesichert. «Wir werden an der Seite der Ukraine stehen», sagte Obama nach einem Treffen mit Ministerpräsident Arseni Jazenjuk in Washington.
Sollte Russland seinen Kurs in der Krise nicht ändern, werde der Westen gezwungen sein, etwas zu unternehmen. Die Pläne der prorussischen Regionalregierung auf der Krim lehnte er nachdrücklich ab. Jazenjuk erklärte, er sei bereit zu Krisengesprächen. Er fügte aber hinzu, dass sich sein Land «niemals ergeben» werde.
US-Aussenminister John Kerry will sich am Freitag erneut mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow treffen. Die Begegnung in London sei der Versuch, die Situation zu «entschärfen», sagte Kerry bei einer Anhörung im Kongress. Er werde Lawrow «einige Alternativen» anbieten. US-Präsident Barack Obama habe ihn gebeten, die Reise in die britische Hauptstadt zu machen.
Obwohl Russland eine enge historische und kulturelle Bindung zur Ukraine und besonders zur Halbinsel Krim habe, würde «nichts eine Militärintervention rechtfertigen», so der US-Chefdiplomat.
Die Bürger der ukrainischen Krim sollen am kommenden Sonntag in einer Abstimmung über ihre Zugehörigkeit entscheiden. Eine Mehrheit dafür gilt als wahrscheinlich. Nach dem blutigen Machtwechsel in Kiew kontrollieren seit Ende Februar russisch sprechende Bewaffnete die Schwarzmeerhalbinsel. Moskau betreibt eine schnelle Eingliederung des über Jahrhunderte russischen Gebiets in die Russische Föderation.