Nach den tödlichen Schüssen eines weissen US-Polizisten auf einen anscheinend unbewaffneten Schwarzen hat auch die Bundespolizei FBI mit Ermittlungen begonnen. Die Behörde prüft unter anderem, ob der 33 Jahre alte Beamte eine Bürgerrechtsverletzung begangen hat.
Der auf Video festgehaltene neue Fall tödlicher Polizeigewalt gegen Schwarze löste in den USA grosse Empörung aus. Der Beamte wurde wegen Mordes angeklagt. Zudem sei der Schütze aus der Polizeiabteilung entlassen worden, gab der Bürgermeister von North Charleston im Staat South Carolina, Keith Summey, bekannt.
Augenzeuge meldet sich
Unterdessen meldete sich erstmals der Urheber des Handyvideos zu Wort. Bevor er die Aufnahme startete, hätten der Polizist und der 50 Jahre alte Afroamerikaner eine körperliche Auseinandersetzung gehabt, sagte der junge Mann dem TV-Sender NBC.
«Sie waren auf dem Boden. Ich erinnere mich, dass der Polizist die Kontrolle über die Situation hatte.» Das Opfer habe nur noch weglaufen wollen und sei keine Bedrohung gewesen. Der Beamte «hat eine falsche Entscheidung getroffen, und man bezahlt für seine Entscheidungen ein Leben lang.»
Acht Schüsse, zwei tödliche Treffer
Laut «New York Times» schoss der Polizist achtmal. Der Flüchtende wurde fünfmal getroffen, davon viermal im Rücken, wie die Lokalzeitung «Post and Courier» unter Berufung auf die Obduktionsergebnisse berichtete. Zwei Treffer seien tödlich gewesen.
Sie waren auf dem Boden. Ich erinnere mich, dass der Polizist die Kontrolle über die Situation hatte.
Der Bürgermeister hatte zusammen mit dem städtischen Polizeichef Eddie Driggers die Angehörigen des getöteten Schwarzen besucht. «Bitte betet für die Familie», bat Summey die Bevölkerung.
Summey sagte, der Polizist habe eine falsche Entscheidung getroffen. «Wenn man falsch liegt, liegt man falsch», erklärte der Bürgermeister. Er äusserte aber auch Mitgefühl für die Familie des Schützen: Dessen Frau ist im achten Monat schwanger.
Proteste blieben bisher friedlich
Anders als nach vergleichbaren Fällen von Polizeigewalt gegen Afroamerikaner kam es in North Charleston bisher zu keinen gewalttätigen Ausschreitungen. Die Proteste vor dem Rathaus der Stadt in South Carolina blieben nach Angaben lokaler Medien bisher friedlich.
Auch erste prominente Politiker haben sich zum Fall geäussert. «Herzzerreissend & zu vertraut», twitterte Hillary Clinton. «Wir können es besser machen – Vertrauen erneuern, das Justizsystem reformieren und alles Leben respektieren», schrieb die potentielle Präsidentschaftskandidatin.
Er hoffe, dass dem Recht genüge getan werde, sagte der Republikaner Rand Paul, der seine Bewerbung um eine Präsidentschaftskandidatur bereits angemeldet hat.
Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA
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Bild 1 von 8. Im Februar 2004 töteten Polizisten in New York den afrikanischen Einwanderer Amadou Diallo vor seinem Appartment mit 41 Schüssen. Sie hatten ihn mit einem gesuchten Serienvergewaltiger verwechselt. Die vier beteiligten Polizisten wurden von einer Jury aus schwarzen und weissen Geschworenen freigesprochen, in New York am es zu Ausschreitungen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 2 von 8. Im November 2006 kam es zu heftigen Protesten, nachdem wiederum in New York der unbewaffnete Afroamerikaner Sean Bell von Polizisten erschossen worden war. Er hatte nach dem Verlassen einer Bar im Auto mit Freunden einen Polizeiwagen gerammt. Drei Polizisten wurden angeklagt und freigesprochen. Die Polizei zahlte eine Millionen-Entschädigung. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 8. Ausschreitungen bei Protesten gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt in Kalifornien: Ein Polizist hatte im Januar 2009 den unbewaffneten und von anderen Polizisten am Boden fixierten Oscar Grant mit einem Schuss in den Rücken getötet. Der Beamte wurde lediglich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt und bereits nach elf Monaten Haft entlassen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 4 von 8. Im August 2014 sorgte der Tod des 18-jährigen Afroamerikaners Michael Brown in Ferguson im US-Bundesstaat Missouri weltweit für Schlagzeilen. Ein weisser Polizist hatte zwölf Mal auf den Schüler geschossen. Nachdem die Grand Jury entschieden hatte, kein Verfahren zu eröffnen, kam es zu gewaltsamen Protesten und nächtlichen Ausgangssperren. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 8. Im Dezember 2014 wurde der vierfache schwarze Familienvater Rumain Brisbon in Phoenix (Arizona) nach einer Polizeikontrolle erschossen, weil er seine Hand nicht aus der Hosentasche nehmen wollte. Darin waren Tabletten und keine Waffe. Auch sein Tod führte zu einer landesweiten Protestwelle. Bildquelle: Reuters.
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Bild 6 von 8. Im März 2015 erschoss ein weisser Polizist bei Atlanta (Georgia) einen möglicherweise geistig verwirrten nackten Schwarzen, der an Haustüren geklopft haben soll. Laut Polizei lief er auf einen Beamten zu, der zwei Schüsse abfeuerte. Bereits während der noch laufenden Untersuchungen zum Tathergang kam es zu Protesten. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 8. «Wie viele noch?» – Auch nach dem Tod des fünffachen Familienvaters Walter Scott in North Charleston im April 2015 gibt es Proteste gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt. Ein Handy-Video widerlegt die Aussage des Polizisten, er habe nach einer Verkehrskontrolle in Notwehr gehandelt. Offensichtlich schoss er von hinten auf den Flüchtenden. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 8. Nach dem Tod eines 25-jährigen Schwarzen kommt es in Baltimore zu schweren Ausschreitungen. Der junge Mann war im Polizeigewahrsam verletzt worden und später gestorben. Bildquelle: Reuters.