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International Fünf Jahre nach dem Beben ist Haiti noch immer politisch instabil

Haiti kommt nicht zur Ruhe. Vor fünf Jahren zerstörte ein verheerendes Erdbeben grosse Teile des Karibikstaates. Auch politisch steckt das Land in einer Krise. Doch nun scheint sich – dank internationalen Drucks – eine Lösung abzuzeichnen.

Das Erdbeben in Haiti richtete vor fünf Jahren viel Zerstörung an. Es kamen viele Hilfswerke ins Land, deren Ziel es war, den Staat wiederaufzubauen. Doch Haiti leidet immer noch und steckt in einer tiefen politischen Krise: Ende 2012 wurde die Wahl für die Teilerneuerung des Senats verschoben. Ein Drittel der Sitze in der kleinen Kammer sind seither nicht besetzt. Ende letzten Jahres wurden auch die Wahlen für die Abgeordnetenversammlung und einen Drittel des Senats abgesagt.

Damit hat Haiti heute kein legitimiertes Parlament mehr und Präsident Michel Martelly könnte per Dekret regieren. Dagegen demonstrierten erst am Sonntag Dutzende Menschen vor dem Parlamentssitz in Port-au-Prince. Laut Medienberichten wurde dabei mindestens ein Mensch durch ein Gummigeschoss verletzt.

Clans dominieren die politische Landschaft

Politisch ist Haiti seit der Wahl Martellys blockiert. Denn im Parlament gibt weitgehend die Opposition den Ton an. «Haiti wird von verschiedenen Clans dominiert», sagt SRF-Auslandredaktor Daniel Voll. Es gebe immer noch alte Seilschaften aus der Duvalier-Diktatur. «Dazu gehört zum Beispiel der amtierende Präsident Michel Martelly.»

Opposition komme aus den Kreisen, die damals Duvalier gestürzt haben. Der ehemalige Präsident Aristide spiele immer noch eine grosser Rolle, sowie andere Präsidenten vor ihm und nach ihm. «Diese Clans blockieren sich ganz stark gegenseitig, und das ist eines der ganz grossen Probleme», sagt Voll.

Mit massivem Druck haben UNO und die USA Haitis Präsidenten und die Opposition an den Verhandlungstisch gezwungen. Vergangene Nacht haben sie offenbar ein Abkommen geschlossen, das den Konflikt befrieden soll. Danach sollen bis Ende Jahr Wahlen stattfinden.

Vorbereitet werden sollen die Wahlen von einer unabhängigen Wahlkommission, die nicht vom Präsidenten bestimmt wird, sondern von Kirchen und Organisationen der Zivilgesellschaft. Das sei einer der grossen Streitpunkte gewesen. Falls das Abkommen tatsächlich zu Stande gekommen sei, sei daran der Einfluss der USA zu erkennen, sagt Voll.

Die Amerikaner haben vor bald 100 Jahren Haiti militärisch besetzt und einige Jahre als Kolonie regiert. Den grossen Einfluss auf den Inselstaat haben sie behalten.» Nach dem Erdbeben habe er eher zugenommen. «Man sieht es daran, dass zum Beispiel der Ex-Präsident Bill Clinton einer der beiden Präsidenten der Wiederaufbaukommission war», so Voll. «Es sind viele amerikanische Organisationen in Haiti präsent, die hinter den Kulissen einen sehr grossen Einfluss ausüben. Manche sagen auch, dass das eigentliche Machtzentrum in Haiti die amerikanische Botschaft sei.»

Abhängigkeit vom Ausland

Ein weiteres grosses Problem sei die enorme Abhängigkeit von aussen. «Zwar sind fünf Jahre nach dem Beben viele Hilfswerke abgezogen, aber sie bilden immer noch eine Art Staat im Staat», sagt der Auslandredaktor. Sehr viele arbeiteten, ohne die Landesregierung einzubeziehen. «Viele Investitionen von Hilfswerken wurden vollkommen an der Regierung vorbei gemacht.»

Dazu kommt die Rechtsunsicherheit in Haiti. Seit dem Sturz der Diktatur werde darüber gesprochen, dass man die Gerichte reformieren müsse, dass es Gesetze brauche, um die Straflosigkeit zu bekämpfen, sagt Voll. «Durch die Straflosigkeit gibt es keine Rechtssicherheit, und wenn es keine Rechtssicherheit gibt, dann gibt es kaum Investitionen, auch nicht von Haitianern selbst. Ohne Investitionen ist keine wirtschaftliche Entwicklung denkbar.»

Das Jahrhundert-Beben in Haiti

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