Auch knapp eine Woche nach dem Absturz einer russischen Passagiermaschine ist unklar, warum die 224 Menschen an Bord sterben mussten. Obwohl ein Abschuss der Maschine derzeit als nicht wahrscheinlich gilt, haben gleich mehrere grosse Airlines ihre Flugrouten vorsorglich angepasst: Die deutsche Lufthansa, Air France und mehrere Golf-Airlines erklärten, sie würden den Sinai bis auf weiteres umfliegen.
Dasselbe gilt auch für die Swiss – wenn auch nur theoretisch. Die Fluggesellschaft hat nach eigenen Angaben derzeit keine Verbindungen, die über den Sinai führen. «Die Änderung ist allenfalls relevant für die Flugplanung – falls eine Crew ihre eigentliche Route kurzfristig ändern muss, weiss der so genannte Flight Dispatch, dass sie den Sinai umfliegen muss», sagt Sprecherin Karin Müller.
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Die Hauptroute liegt weiter nördlich
Für die Airlines bedeuten solche Routenänderungen in erster Linie Kosten. «Bei jedem Flug geht es darum, den kürzestmöglichen Weg zu nehmen – um die Flugzeit so kurz wie möglich halten, um Kerosin zu sparen und um den CO2-Ausstoss zu mindern», erklärt Vladi Barrosa, der Sprecher der Schweizer Flugsicherung Skyguide. Müssten die Fluggesellschaften ausweichen, habe das früher oder später Folgen für den Flugpreis.
Im konkreten Fall der Sinai-Halbinsel kommt aber noch etwas anderes hinzu: Sie war eine Alternativroute in Richtung Asien. Nun weichen die meisten Maschinen dorthin aus, wo ohnehin schon Gedränge herrscht.
Schmaler Korridor
Eine der wichtigsten Flugrouten von und nach Asien verläuft derzeit in einem relativ schmalen Korridor zwischen dem Kaspischen Meer und dem Irak – über die Türkei und den Iran in Richtung Persischer Golf.
Und dort herrscht reger Betrieb. Auf Seiten wie Flightradar24.com wird auch für Laien sichtbar, wie strapaziert die Route ist. Unumstritten ist auch sie nicht. Seit Russland Anfang Oktober erstmals Marschflugkörper von Kriegsschiffen im Kaspischen Meer in Richtung Syrien abfeuerte, wachsen die Sicherheitsbedenken auf dieser Strecke.
Die Europäische Flugsicherheitsbehörde (Easa) reagierte wenig später mit einem Sicherheitshinweis – allerdings ohne konkrete Empfehlung. «Wir wollten sicherstellen, dass die Fluggesellschaften über das Ereignis Bescheid wissen», sagte ein Sprecher der Behörde gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin «Spiegel Online».
Eigene Sicherheitsabteilungen
Bei den Fluggesellschaften selbst arbeiten eigene Sicherheitsabteilungen rund um die Uhr, um auch kurzfristig reagieren zu können. Die Wahl der Routen könne so von Tag zu Tag und von Flug zu Flug angepasst werden, sagt Swiss-Sprecherin Karin Müller. Schon seit längerem umfliegt die Airline den Irak, Syrien, Jemen, Libyen, die Krim, die Ostukraine und den Südsudan.
Ähnlich läuft es bei der Konzernmutter Lufthansa. Auch hier kümmert sich eine eigene Abteilung um die Berechnung der Flugrouten. «Da fliessen Informationen der Behörden ein, aber auch unsere eigenen Einschätzungen», sagt Sprecher Helmut Tolksdorf. Wie die Experten zu diesen Einschätzungen kommen, sagt Tolksdorf nicht.
Dass der Verkehr auf den verbliebenen Flugrouten nun zunimmt, stellt auch die jeweiligen Flugsicherungen vor grosse Aufgaben. «Der Luftraum ist in einzelne Sektoren aufgeteilt», erklärt Vladi Barrosa, der Sprecher von Skyguide. «Jeder Sektor kann pro Stunde eine bestimmte Kapazität an Flugzeugen aufnehmen – einige etwa 20, andere bis zu 40.»
Sind die Kapazitäten erschöpft, können allenfalls neue Sektoren eröffnet werden.» Wenn nicht, tritt ein, was Airlines und Kunden gleichermassen fürchten: Es kommt zu Verspätungen.