Darum geht es: Am 14. Dezember 2012 hatte ein 20-Jähriger im US-Bundesstaat Connecticut 20 Schulkinder und sechs Lehrer erschossen. Radiomoderator Alex Jones hatte daraufhin behauptet, dass der Amoklauf von Schauspielern inszeniert worden sei.
Die Eltern eines Opfers verklagten Jones wegen seiner Behauptungen. Sie forderten 150 Millionen US-Dollar als Entschädigung. Das Gericht in Texas verurteilte Jones zunächst zu mehr als 4 Millionen US-Dollar, welche er den Eltern als Entschädigung zahlen muss.
Wird die Meinungsfreiheit durch dieses Urteil eingeschränkt? Nein. Die Meinungsfreiheit ist in den USA durch den ersten Zusatzartikel zur Verfassung stark geschützt, stärker als bei uns in Europa. Es gehe in diesem Fall nicht um eine Meinungsäusserung, sagt US-Rechtsexpertin April Stockfleet.
«Was Jones in seiner Sendung von sich gab, war als Tatsachenbehauptung ausgestaltet und hatte auch einen echten Effekt auf das Leben der Kläger. Leute wurden aufgewühlt und haben die Kläger regelrecht belästigt.» Wenn seine Behauptungen zugetroffen hätten, hätte Jones die Beweise dafür vorlegen und Zeugen nennen können, ergänzt Stockfleet.
Verleumdungsgesetze entwickelten sich über Jahrzehnte durch Urteile des Obersten Gerichtshofs der USA. Durch die Rechtsprechung wird so kontinuierlich eruiert, welche Rede durch die Meinungsfreiheit geschützt ist, und welche nicht.
Welche Kriterien müssen bei einer Verleumdung erfüllt sein? Eine Verleumdung muss beinhalten, dass jemand öffentlich – typischerweise über die Medien – eine falsche Tatsachenbehauptung macht und vorgibt, dass sie wahr ist. Abgesehen vom Tatbestand der Verleumdung gehe es auch um das vorsätzliche Zufügen von emotionalem Stress, was zu einer Genugtuung berechtigen könne, erklärt die Expertin.
«Wenn jemand öffentlich eine Falschaussage dieses Ausmasses macht, geht das in diese Richtung. Man kann nicht öffentlich Lügen erzählen, welche das Ansehen einer Person schädigen», sagt Stockfleet. Die Kläger argumentierten, seine Lügen über den Tod ihres Kindes hätten ihrem Ruf geschadet und zu Morddrohungen von Jones‘ Anhängern geführt.
Was ist besonders an diesem Urteil? Jones schien seine eigenen Erfolgschancen zu sabotieren. Er hat es verpasst, kritische Beweise wie E-Mails dem Gericht zu übergeben. Die Kläger hofften, darin Beweise zu finden, dass Jones die ganze Zeit wusste, dass seine Aussagen falsch waren.
«Verglichen mit dem Heard-Depp-Urteil wurden im ursprünglichen Urteil nur sehr wenige Beweise von der Seite von Alex Jones eingereicht. Dies führte dazu, dass die Kläger nach einer Art Urteil in Abwesenheit fragten, was vom Richter dann gutgeheissen wurde.» Dies mache diesen Fall zu einem sehr unüblichen, meint die Rechtsprofessorin.
Typischerweise lautet in einem solchen Prozess die erste Frage, ob die Rede als ungeschützte Verleumdung einzustufen ist. Wenn ja, wird über die Höhe des Schadensersatzes verhandelt. Jones‘ Prozess übersprang die erste Frage weitgehend und ging direkt zur zweiten über: Von Anfang an ging es nicht darum, ob Jones Schadensersatz zahlen muss, sondern wie viel.
Wird das Urteil zu einem Präzedenzfall? Voraussichtlich nicht. Der Fall werde trotzdem ein Zeichen setzen, ist sich Stockfleet sicher. «Man kann in den Medien nicht rücksichtslos und wissentlich Lügen erzählen, ohne dass man dafür verantwortlich gemacht werden kann.» Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass der Fall Jones vom Obersten Gerichtshof aufgenommen wird.