In Kolumbien hat die Gewalt gegen Frauen und Mädchen im vergangenen Jahr um neun Prozent zugenommen. Das teilt die UNO-Frauenorganisation mit. Grund dafür seien die Pandemie und die strikten Ausgangsbeschränkungen. Die Täter teilen meist die Wohnung mit ihren Opfern.
2020 hat die UNO-Frauenorganisation in Kolumbien 568 Frauenmorde registriert. Das waren 1.5 pro Tag. Auch Fälle von häuslicher Gewalt wurden immer häufiger. 75 Prozent der Opfer sind Frauen. Abhilfe soll in der Hauptstadt Bogotá jetzt ein telefonischer Dienst schaffen – eine Hotline für gewaltbereite Männer.
«Linea Calma» – atmen Sie langsam!
Das Call-Center befindet sich im Norden von Bogotá. Ein Team von acht Psychologen steht den Anrufern jeden Tag während zwölf Stunden zur Verfügung.
Die Psychologin Diana Tyres fragt als Erstes den Anrufer, ob er oder jemand anderes in Gefahr sei. Sie bekommt beispielsweise zur Antwort: «Ich bin gerade nach Hause gekommen und habe meine Frau mit einem anderen Mann im Schlafzimmer vorgefunden. Was soll ich machen?» Tyres antwortet: «Setzen Sie sich, atmen Sie langsam und hören Sie auf meine Stimme.» Ziel sei meistens, den Mann zu beruhigen, bis – falls nötig – die Polizei eintrifft.
Machismo, Eifersucht und Kontrollzwang
Diese emotionale Ausnahmesituation ist typisch für den neuen telefonischen Service «Linea Calma». Das Interesse ist gross. In einer Umfrage des städtischen Kulturministeriums in Bogotá gaben 76 Prozent der Männer an, besser mit ihren Emotionen umgehen zu wollen, aber sie wüssten nicht wie. Die grösste Herausforderung für gewaltbereite Männer sei Eifersucht und die Kontrolle über den Alltag der Ehefrau zu verlieren.
Wir können die häusliche Gewalt nur ausrotten, wenn wir unser Verständnis von Männlichkeit anpacken.
Kulturminister Nicolas Montero stellte fest: «Diese Hotline ist ein Angebot, um die Wurzeln des Problems anzupacken.»
Um die häusliche Gewalt auszurotten bräuchte es eine Veränderung in der Kultur und ein anderes Verständnis von Männlichkeit.
Anti-Wut-Kurse im Angebot
Das Fachpersonal der «Linea Calma» hört den Männern nicht nur zu. Es bietet auch einmal in der Woche Kurse an, um mit Wut, Eifersucht und Kontrollzwang besser umgehen zu können.
Die gewalttätige Macho-Kultur in Kolumbien ist sehr ausgeprägt. Männer betrachten Frauen oft als ihren Besitz, fühlen sich überlegen, werden gewalttätig, wenn etwas dieses Selbstverständnis bedroht. Die Justiz ist überfordert, Fälle von häuslicher Gewalt kommen meist gar nicht vor Gericht.