Das Parlament hat Präsident Viktor Janukowitsch für abgesetzt erklärt und Neuwahlen für den 25. Mai angeordnet. 328 Abgeordnete stimmten für den Beschluss.
Der Staatschef übe sein Amt nicht aus und habe sich widerrechtlich Vollmachten angeeignet, erklärten die Abgeordneten. Das Fernsehen übertrug die Entscheidung live. Schon bevor das Ergebnis offiziell war, brachen die Parlamentarier in lauten Jubel aus und klatschten Beifall. Dann sangen sie die Nationalhymne.
Janukowitsch spricht von Staatsumsturz
Janukowitsch ist derweil nicht zu einem Rücktritt bereit. «Die Ereignisse, die unser Land und die ganze Welt gesehen haben, sind ein Beispiel für einen Staatsumsturz», sagte Janukowitsch russischen Agenturen zufolge.
«Ich bleibe im Land.» Er werde den jüngsten Entscheidungen des Parlaments nicht zustimmen, sagte der Staatschef in einem Fernsehinterview. Die Beschlüsse der Obersten Rada seien gesetzwidrig. «Alles, was derzeit in diesem Parlament geschieht, ist Banditentum.»
Vergleich mit Machtergreifung der Nazis
Der bisherige Parlamentspräsident Wladimir Rybak sei verprügelt worden und werde nun in einem Krankenhaus im ostukrainischen Donezk behandelt, behauptete Janukowitsch im Fernsehen weiter.
Weiter sagte er: «Wir sehen die Wiederholung des nationalsozialistischen Umsturzes der 1930er-Jahre in Deutschland.» Hunderte Büros seiner Regierungspartei seien angezündet worden, er sowie ranghohe Politiker bedroht worden.
Gepanzerte Limousine statt Flugzeug Richtung Ausland
Entgegen seiner Aussage im Fernsehen, dass er bleiben wolle, vermeldete die Grenzpolizei des Landes, Janukowitsch habe – begleitet von bewaffneten Sicherheitsleuten – ohne die übliche Grenzabfertigung von der Stadt Donezk aus fortfliegen wollen.
Der ukrainische Grenzschutz hat nach eigenen Angaben das Flugzeug mit Janukowitsch kurz vor dem Abflug gestoppt.
Das sagte der Sprecher des Grenzschutzes, Sergej Astachow, der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Astachow zufolge war unklar, wohin der Staatschef reisen wollte. Janukowitsch sei letztlich aus dem Flugzeug ausgestiegen und habe den Ort in einer gepanzerten Limousine verlassen.
«Keine Machtbasis mehr»
Die Tage als Staatsoberhaupt scheinen aber zu schwinden. Nach den 35 Toten vom Maidan Mitte der Woche war Janukowitsch von der harten Linie abgekommen, so SRF-Korrespondent Christof Franzen. Die einzige Linie, die ihm noch verblieben war. «Ich sehe nun in Kiew keine Machtbasis mehr für Janukowitsch».
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Auf dem Maidan-Platz herrschte am Samstag derweil ein Ansatz von Volksfeststimmung, sagte Franzen zu SRF News Online. Zum ersten Mal seit Tagen habe man wieder ältere Leute und Familien mit Kindern auf den Strassen gesehen. Voreilige Meldungen des Janukowitsch-Rücktritts und der Freilassung Timoschenkos hätten sogar für spontane Freuden-Feuerwerke gesorgt.
Medien berichteten, Janukowitsch sei am Freitag Abend überhastet und in Begleitung von Vertrauten sowie gut einem Dutzend Leibwächtern ins ostukrainische Charkow geflogen. Die Region nahe Russland gilt als Hochburg Janukowitschs.
Kritik an Parlamentsbeschlüssen
Aus den östlichen Landesteile der Ukraine hiess es, dass der Staat zusammengehalten werden müsse. Zugleich stellen sie aber die Rechtmässigkeit der jüngsten Beschlüsse des Parlaments in Kiew infrage. Der Osten der Ukraine ist die Hochburg des umstrittenen Präsidenten Janukowitsch.