Schweigen, Ungläubigkeit, ja blankes Entsetzen im Stadion in Kopenhagen: Die Bilder von der Fussball-Europameisterschaft 2021 haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.
Damals sackte Christian Eriksen unvermittelt zusammen. Minutenlang blieb der Star des dänischen Teams liegen – Herzstillstand. Seine Teamkollegen schirmten den damals 29-Jährigen vor den Augen der Weltöffentlichkeit ab.
Immer wieder machen Fälle von Spitzensportlerinnen und -sportlern mit Herzproblemen Schlagzeilen.
Der neuste Fall: Der US-amerikanische Football-Spieler Damar Hamlin erlitt Anfang Januar auf dem Platz einen Herzstillstand und musste reanimiert werden.
Mittlerweile ist der 24-jährige Spieler der Buffalo Bills auf dem Weg der Besserung. Am Sonntag zeigte er sich unter tosendem Applaus des Publikums in einer VIP-Loge beim Playoff-Heimspiel seiner Mannschaft gegen die Cincinnati Bengals.
Wenn ausgerechnet Topathleten Herzprobleme haben, schlägt das hohe Wellen. Leben sie gefährlicher als Normalos – obwohl sie ungleich fitter sind? Antworten darauf kann Sportmediziner Walter O. Frey liefern.
«Spitzensportler leiden sicher nicht häufiger an Herzerkrankungen als jemand aus der Allgemeinbevölkerung», sagt der Mediziner an der Hirslanden Klinik in Zürich. «Weil sie sich aber in den roten Bereich begeben, ist die Chance grösser, dass etwas passiert.»
Ein Motor im hochtourigen Bereich
Frey ist Chefarzt von Swiss-Ski und war schon mehrmals Arzt der Schweizer Olympia-Delegation. Er vergleicht das Herz von Hochleistungssportlern mit einem Motor: Wenn das Auto bloss rollt, bleibt es in der sicheren Zone. Wenn der Tourenzähler hochgejagt wird, kann es kritisch werden.
«Wenn das Herz 200 Mal in einer Minute schlagen muss, ist es mehr ein Vibrieren», erklärt der Sportmediziner. «Wenn hier in der Steuerung das kleinste Problem auftritt, kann es zu einer schweren Störung und einem plötzlichen Herzstillstand kommen.»
Fataler «Kurzschluss»
Gleichzeitig ist das Herz eines Spitzensportlers extrem gut trainiert und entsprechend leistungsfähig. «Es kann riesige Blutmengen auswerfen, um die Muskulatur in Beinen und Armen zu ernähren, um Spitzenleistungen zu ermöglichen.»
Die elektrischen Verschaltungen im Herzen, wie sie Frey nennt, können aber nicht trainiert werden. «Wenn in dieser Steuerung ein Problem auftritt, kann es zu einer Art Kurzschluss kommen, der das Herz stilllegt.»
In der Sportmedizin weiss man um die Gefahren für Athletinnen und Athleten, deren Herzen oft im hochtourigen Bereich «fahren». Präventive Untersuchungen sind ein Schwerpunkt der Arbeit der Fachleute. «Dabei versuchen wir auch die Population zu erfassen, die eine angeborene Herzerkrankung hat, um diese nicht in eine Gefahrenzone hineinlaufen zu lassen», erklärt Frey.
Herzprobleme nach Covid-Infektion
Zudem wird das Herz auf mögliche Entzündungen hin untersucht, die etwa als Folge von grippalen Infekten auftreten können. Bei diversen Sportlern kam es in den letzten Jahren auch infolge einer Corona-Infektion zu Herzmuskelentzündungen. «Auch dabei besteht die Gefahr eines Steuerungsproblems. Entsprechend darf sich dann jemand nicht in die Gefahrenzone begeben.»
Trotz aller Untersuchungen lässt sich ein Restrisiko nicht ausschliessen, räumt Frey ein. Es sei Aufgabe des medizinischen Staffs, die Gefahr zu minimieren. «Wir versuchen jedem dieser tragischen Einzelfälle nachzugehen, um Vergleichbares künftig zu vermeiden.»