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International Hollande kämpft mit Pflastern gegen die Krise

Die Lebensmittelindustrie in Frankreichs Nordwesten steckt in der Krise: 750'000 Stellen wurden in den vergangenen zehn Jahren abgebaut, weitere Fabriken stehen vor der Schliessung. Präsident François Hollande schaut machtlos zu.

Fast 3,3 Millionen Franzosen sind auf der Suche nach Arbeit. Das sind beinahe 11 Prozent der aktiven Bevölkerung. Damit erreichte das Land im September einen traurigen Rekord: Seit April 2009 ist die Arbeitslosenquote nicht mehr so stark gestiegen.

Mit kurzfristigen Lösungen gegen strukturelle Probleme

Schon in seinem Wahlkampf setzte François Hollande die Arbeitslosigkeit ganz oben auf seine Prioritätenliste. Als Präsident formulierte er es im September 2012 dann so: «Wir müssen die Arbeitslosigkeit innerhalb eines Jahres in den Griff bekommen. Es braucht echte Fortschritte.»

Hollandes Problem: Echte Fortschritte blieben bis jetzt aus. Frankreich steckt weiter in der Krise – und damit auch die französische Regierung. «Die Unzufriedenheit mit den Sozialisten hat im ganzen Land zugenommen», stellt SRF-Frankreichkorrespondent Michael Gerber fest.

Kriselnde Nahrungsmittelindustrie

Dies äussert sich aktuell vor allem im Nordwesten des Landes. In der Bretagne prägen Lebensmittel- und Landwirtschaftsbetriebe die Volkswirtschaft. Dieser Wirtschaftszweig stellt jeden dritten Arbeitsplatz in der Region. Die Branche steckt in der Krise und mit ihr die gesamte bretonische Wirtschaft. Innert zehn Jahren gingen 750‘000 Stellen verloren, rechnet der Minister für industriellen Wiederaufbau, Arnaud Montebourg, vor.

Zu teuer und zu wenig innovativ: Die grossen Nahrungsmittelfabriken leiden vor allem unter den Produktionskosten, die im Gegensatz zu den Absatzpreisen in den vergangenen Jahren konstant blieben. «Der Ausbau in den 90er und 00er-Jahre rächt sich jetzt», so Michael Gerber.

Bei der jetzigen Situation handle es sich nicht einfach um eine konjunkturelle Krise, die einfach hätte bekämpft werden können. Es gehe um viel mehr, erklärt Gerber. Die Krise sei strukturell bedingt. «Eine Ausgabenpolitik, wie sie vor Zeiten des Euros möglich war, ist heute mit den Sparzielen der Europäischen Union nicht mehr umsetzbar.»

Der Präsident soll Alltagsprobleme lösen

In einer kurzfristig anberaumten Krisensitzung sprachen sich denn auch verschiedene Minister Mitte Oktober für eine Finanzspritze von 15 Millionen Euro für die Region im Nordwesten aus. Doch wer was und wie viel erhält, wurde nicht geklärt.

Das zeige, wie machtlos die Politik den Problemen und auch den Erwartungen der Bevölkerung gegenüber stehe, so Gerber. Die nationalen Behörden würden mit kurzfristigen Lösungen versuchen, die Probleme zu lösen. Doch oft hätten diese höchstens Symbolwirkung.

«Im Gegensatz zur Schweiz erwartet die Bevölkerung in Frankreich, dass ihre Alltagsprobleme von ganz oben gelöst werden», sagt der Frankreichkorrespondent. Man fühle sich in der Region im Stich gelassen. «François Hollande reist lieber nach Mali oder nach Südafrika. Doch was wird aus uns?», fragt ein entlassener Metzger in einer bretonischen Gemeinde.

Ein Besuch von François Hollande würde die Probleme zwar nicht lösen, aber die Situation etwas entschärfen.

Spätestens bei den Lokalwahlen im nächsten Frühling wird sich zeigen, ob Hollande mit seinem angekündigten Wandel überzeugen konnte. Die ersten Trends deuten auf eine Abstrafung der Sozialisten hin.

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