Frankreich soll eine neue Regierung erhalten. Premierminister Manuel Valls hat den Rücktritt eingereicht und wurde daraufhin von Präsident François Hollande beauftragt, ein neues Kabinett zusammenzustellen. Bereits am Dienstag soll es vorgestellt werden.
SRF: Was ist das Ziel dieser Regierungsumbildung?
Rudolf Balmer: Das unmittelbare Ziel dürfte sein, den bisherigen Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg zu entlassen. Er hat mit einer scharfen Kritik an der Wirtschaftspolitik der eigenen Regierung eine Krise ausgelöst. Staatspräsident Hollande musste nun die Konsequenzen daraus ziehen.
Weshalb stand Montebourg als Wirtschaftsminister derart in der Kritik, dass nun sogar die Regierung zurücktritt?
Es war für Präsident Hollande wahrscheinlich wichtig, jetzt ein Exempel zu statuieren und zu sagen, dass eine solch kategorische Kritik aus den eigenen Reihen einfach nicht toleriert werden kann. Es geht um den Zusammenhalt und die Kohäsion dieser Regierung. Deshalb hat er auch den Premierminister aufgefordert, ein neues Team zusammenzustellen. Man wird sehen, ob es wirklich eine umfassende Umbildung gibt, oder ob es einfach eine persönliche Sanktion für diesen Minister ist.
Montebourg machte in einem «Le Monde»-Interview vor allem Kanzlerin Merkel verantwortlich.
Montebourg ist bekannt für seine provokanten Äusserungen. Es ist nicht das erste Mal, dass er die Sparpolitik als exzessiv kritisiert hat. Jetzt ist man aber einen Schritt weiter gegangen. Man fragt sich in Frankreich auch, ob er das absichtlich gemacht hat, um eine solche Reaktion auszulösen.
Die Kritik an der Sparpolitik ist ja nicht neu. Wieso hat sie gerade jetzt Streit ausgelöst in der französischen Regierung?
Man muss unterstreichen, wie ernst die Krise in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht in Frankreich ist. Premierminister Valls und erst recht Staatspräsident Hollande sind deswegen sehr unpopulär. Es fehlen ihnen Resultate. Vor diesem Hintergrund machte Montebourg dann in einem Interview in der Zeitung «Le Monde» vor allem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verantwortlich.
Er sagte, mit dem Sparkurs, den sie der ganzen EU aufgezwungen habe, dränge sie Länder wie Frankreich in die Rezession. Die ganzen Sparbemühungen, die Frankreich jetzt gemacht habe, seien nutzlos und führten letztlich nur dazu, dass das Land in die Arme von EU-skeptischen Populisten getrieben würde. Das ist eine umfassende Kritik, die Hollande in dieser Weise nicht akzeptieren konnte – allein schon aus Rücksicht auf die deutschen Partner.
Ist Montebourg allein mit seiner Kritik oder hat er Unterstützer?
Er steht keineswegs alleine da. Einerseits ist die Kritik an der Sparpolitik auch etwas, was man von rechts hört. Andererseits wächst im Regierungslager selbst die Zahl der Sozialisten, die sagen, man muss die Bekämpfung des Defizits nicht zur einzigen Priorität machen. Es ist ein grosser Wunsch da, diese Sparpolitik zu lockern, und dafür die Kaufkraft zu fördern, um die Binnennachfrage zu stärken. Dann ist es auch so, dass bei den Grünen und erst recht bei den Kommunisten die Kritik an dieser Sparpolitik wächst. Sie werfen der jetzigen Regierung vor, dass sie im Prinzip dasselbe mache, wie vorher die Rechtsregierung von Nicolas Sarkozy.
Hollande möchte jetzt eine Regierung, die gemeinsam am selben Strang zieht.
Valls und Hollande wollen also mit der Regierungsumbildung für Einigkeit in der Wirtschaftspolitik sorgen?
Für Hollande geht es darum, seine Autorität zu stärken; zu sagen, es kommt nicht in Frage, dass intern eine solche Kritik geäussert wird. Er möchte jetzt eine Regierung, die gemeinsam am selben Strang zieht. Ob damit dann auch bessere Resultate erzielt werden, ist eine ganz andere Frage.