Im Osten der Ukraine stimmt die Bevölkerung über eine Eigenständigkeit der selbst ernannten «Volksrepubliken» Donezk und Luhansk ab. Insgesamt rund 6,5 Millionen Einwohner sind aufgerufen, die Frage auf dem Wahlzettel zu beantworten: «Unterstützen Sie den Akt der Unabhängigkeit der Volksrepublik Donezk, bzw. Luhansk?»
Der Aufruf stosse auf riesiges Interesse – so sagen die Aktivisten. «Die Wahlbeteiligung ist nicht nur hoch, sondern überwältigend», erklärte der selbst ernannte Wahlleiter der fiktiven «Volksrepublik Donezk», Roman Ljagin, der Agentur Interfax. Die Wahlbeteiligung soll 70 Prozent betragen haben – eine Zahl die SRF-Korrespondent Christof Franzen für unwahrscheinlich hält.
Gläserne Urnen lassen Ja erkennen
Zwar hätten sich in Donezk teilweise lange Schlange vor den «Wahllokalen» gebildet, so Franzen zu SRF. Allerdings gab es teilweise auch nur wenige Stellen, an denen abgestimmt werden konnte. In der 500'000-Einwohner-Stadt Mariupol etwa waren gerade einmal acht Wahllokale eingerichtet.
Einwohner warfen ihre Stimmzettel in durchsichtige Urnen, auf die die schwarz-blau-rote Flagge der «Volksrepublik» geklebt war. Ein Blick in die Wahlurnen zeigte: Auf allen Wahlzetteln wurde ein Ja angekreuzt, wie Franzen mitteilt. Allerdings gibt er zu bedenken: Diejenigen Menschen, die der Meinung sind, diese Abstimmung sei illegal, sind gar nicht zur Wahl gegangen.
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Alte Wählerregister
Zuvor meldeten pro-ukrainische Medien, die Wahlbeteiligung sei gering. Zudem fänden in weiten Teilen der russisch geprägten Region gar keine Abstimmung statt.
Die Wahlbüros wurden zumeist in Schulen eingerichtet, aber auch in Spitälern. Die moskautreuen Kräfte räumten jedoch ein, dass sie nicht über aktuelle Wählerregister verfügten.
Was wollen die Ostukrainer?
Umstritten ist, worum es in der Abstimmung genau geht: mehr lokale Rechte, Autonomie, politische Unabhängigkeit oder gar ein Schritt in Richtung Aufnahme in die Russische Föderation? Die Frage auf dem Wahlzettel ist vage formuliert. Im Vorfeld sprach sich aber nur eine Minderheit in der Region für einen Anschluss an Russland aus. Die Mehrheit favorisiert vielmehr Eigenständigkeit mit weitgehenden Autonomierechten.
Was die Menschen in der Ostukraine aber wirklich wollen, ist unklar, wie Franzen erklärt. Einige sagten, sie wollten einfach wieder ein besseres Leben, wieder Ruhe und Stabilität. Viele wollen unabhängig sein, aber es gibt auch einige, die Ukrainer bleiben wollen.
Kiew: Referendum wird keine Folgen haben
Die Zentralregierung in Kiew erkennt die Befragung nicht an. Sie nennt die Wahlen eine «kriminelle Farce». Es handle sich um eine «Informationskampagne, um Verbrechen zu vertuschen», sagte Präsidialamtschef Sergej Paschinski.
«Das vom Kreml inspirierte, organisierte und finanzierte Referendum vom 11. Mai ist rechtlich wertlos und wird keinerlei rechtliche Folgen haben für die territoriale Integrität der Ukraine», erklärte das Aussenministerium Kiew.
Erneute Gefechte
Es wird befürchtet, dass die Ukraine nach der Abstimmung ins Chaos abgleiten könnte und die Präsidentenwahlen am 25. Mai dadurch verhindert würden.
Derweil sollen Regierungstruppen in Luhansk Stellungen pro-russischer Kräfte attackiert haben. Die Einheiten rückten mit schwerem Militärgerät auf die Siedlung Nowoajdar vor, sagte ein Führungsmitglied der Separatisten. Eine unabhängige Bestätigung liegt nicht vor. Zudem lieferten sich in den Vororten der Separatistenhochburg Slawjansk pro-russische Kräfte und das Militär neue Gefechte.