Joël Pérez hat vor 15 Jahren in der Altstadt von Béziers einen alten Laden gekauft und darin sein Buch-Antiquariat eingerichtet, das älteste in der Region. Nichts hat er umgebaut, alles liegen und stehen lassen, erzählt er stolz: «Alles ist wie damals, die Lampen, der Tresen, die Schaufenster, einfach alles.»
Pérez blättert in einem alten Bildband von Béziers und beginnt zu träumen: «Der Weinhandel hat Béziers reich gemacht. Nach dessen Niedergang ist die Stadt eingeschlafen. Aber jetzt erwacht sie wieder.»
Ein grosses Kompliment an Robert Ménard. Der Bürgermeister ist ein Meister seines Faches. Er ist der bekannteste Populist von Frankreich. 2014 gewann er mit seiner Bürgerliste und mit der Unterstützung durch den Front National von Marine Le Pen die Gemeindewahlen in seiner Stadt.
Populismus kein Schimpfwort für Ménard
Seither zeigt er dem ganzen Land, wie Populismus funktioniert, rechter Populismus. Andere Politiker würden sich wehren gegen dieses Etikett. Nicht aber Robert Ménard: «Ich mag das Wort: Populismus. Die Medien haben daraus ein Schimpfwort gemacht. Aber ich kümmere mich ums Volk. Nur das interessiert mich. Nur gegenüber meinen Wählern, dem Volk, will ich Rechenschaft ablegen.»
Robert Ménards Statur ist klein und schlaksig. Seine Rhetorik das Gegenteil davon. Sie ist geschliffen und alles andere als bescheiden. Der ehemalige Journalist hat eine ausgeprägte Leidenschaft für kurze und markige Sätze behalten. Diese dominieren sein Stadtmagazin, das alle zwei Wochen die Erfolge seiner Politik inszeniert wie das gewöhnlich nur Boulevard-Zeitungen tun.
Regelmässig wird in seinem «Journal de Béziers» der Wandel im historischen Zentrum dargestellt. Er ist offensichtlich. Vor Ménards Wahl war das Zentrum ausgestorben. Zahlreiche Läden hatten geschlossen. Die Häuser gaben ein tristes Bild ab.
Jetzt leuchten die Sandsteinfassaden wieder. «2017 geben wir Béziers seinen Glanz zurück». So stand es auf der Titelseite der ersten Ausgabe des Stadtmagazins in diesem Wahljahr.
«Der einstige Glanz von Béziers lässt sich an allen Fassaden ablesen. Die Einwohner der Stadt sollen wissen, dass wir wieder an die guten alten Zeiten anknüpfen», verkündet der Maire am Pult im Rathaus.
Aufräumen im Zentrum
Nicht alle freuen sich aber gleichermassen über die grosse Putz-Aktion im Zentrum von Béziers. Sie zielt nämlich nicht nur auf die Fassaden, sondern auch auf die Einwohner im Zentrum. Es sind mehrheitlich Einwandererfamilien aus dem Maghreb. Sie fanden hier in den letzten Jahren günstigen Wohnraum.
Robert Ménard macht kein grosses Geheimnis daraus, dass er diese Menschen lieber nicht mehr im Zentrum hätte: «Ja, ich stehe dazu. In Béziers, in Frankreich leben zu viele Einwanderer.»
Im Zentrum von Béziers sollen in den Augen von Robert Ménard wieder mehr Menschen flanieren, die zur Fassade passen. Franzosen, mit französischen Wurzeln. Und Touristen, im besten Fall. Aber sicher weniger Einwanderer.
Béziers zählt 22 Prozent Arbeitslose. Viele sind Eingewanderte aus dem Maghreb, die heute einen französischen Pass haben. Ein Drittel der Bevölkerung lebt an der Grenze zur Armut.
«Ménards Politik hat zum Ziel, die Armut zu verstecken, die es in Béziers gibt. Es ist vielleicht verletzend, was ich sage, aber so sehe ich es: Robert Ménard will die Armen aus dem Zentrum vertreiben», sagt Françoise Arnaud-Rossignol. Sie ist Sozialistin, sitzt im Gemeinderat der Stadt und in der politischen Opposition.
Der Traum von der guten alten Zeit
Aber nun sitzt sie in einem Bistrot, dessen Fassade ebenfalls gerade aufgefrischt wird, wie sie ironisch anmerkt. Eine traditionell konservative, französische Mittelklasse habe Ménard ins Bürgermeisteramt gewählt, sagt Françoise Arnaud-Rossignol, nicht nur die extreme, patriotische Rechte. «Ménard knüpft an seine eigene Jugend an und lässt einen Teil der Bevölkerung träumen, von jener Zeit, als Béziers grosse Feste feierte. Das wünschen sich viele Leute zurück.»
Wenig später marschiert eine Hundertschaft jener Mittelklasse ins Zentrum, denen Ménard in erster Linie dienen will. Der Bürgermeister hat sein Volk gerufen, um anzustossen, auf drei Jahre Amtszeit.