Opiumhalitge Schmerzmittel sind in den USA von der Pharmaindustrie stark beworben worden. Diese behauptete dabei auch, die Mittel machten nicht abhängig. Dementsprechend oft wurden sie von Ärzten verschrieben.
Wie verherend die Folgen für die Betroffenen sind, zeigt die Geschichte von Damian: Sie begann im Spital. Er geriet in eine Schiesserei und wurde schwer verletzt. «Ich war fünf Monate lang im Spital und erhielt dort starke Schmerzmittel. Als sie mich entliessen, gaben sie mir zwei Dosen mit und ich brauchte sie rasch auf», berichtet der 36-jährige Mann aus dem US-Bundesstaat Maine.
Heroin ist heute überall, so wie früher etwa Hanf
Danach sei er halb wahnsinnig geworden. «Ich wusste nicht, wie mir geschah», erklärt Damian. Es war der Anfang seiner fünfzehnjährigen Odyssee als Süchtiger. Er kaufte opiumhaltige Schmerzmittel auf dem Schwarzmarkt, bis sie ihm zu teuer wurden. «Dann kam das Heroin. Heute ist es überall, so wie früher etwa Hanf.»
Lügen der Pharma- und Gesundheitsindustrie
Wie viele Opiatabhängige stieg er auf das billigere Heroin um. Nun versucht sich Damian in einem Selbsthilfezentrum für Drogensüchtige in Portland Maine von seiner Sucht zu befreien. Der Mann ist nur ein Beispiel von vielen. In den USA grassiert eine Opiate-Epidemie, die mittlerweile mehr Menschenleben fordert als der Strassenverkehr. Die Schuld daran trägt zu einem grossen Teil die Pharma- und Gesundheitsindustrie.
Sie förderte den Absatz von opiumhaltigen Schmerzmitteln mit aggressiver Werbung und mit Studien, die besagten, dass die Schmerzmittel nicht abhängig machten.
Das war gelogen. Purdue Pharma, die Herstellerin des Kassenschlagers Oxycontin, erklärte sich im Jahr 2007 gegenüber den Bundesbehörden schuldig wegen Irreführung und zahlte in einem Vergleich 600 Millionen Dollar Bussgeld – ein Klacks im Vergleich zu den rund dreissig Milliarden Dollar an Einnahmen, die Purdue mit der Schmerzpille einnahm.
Schmerzmittel im Angebot von Drogenhändlern
Eine Recherche der Los Angeles Times zeigte, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen jüngst anhand von internen Dokumenten auf, wie Purdue von Drogerien und Ärzten wusste, die mit Drogenhändlern zusammen arbeiteten die die Pillen auf dem Schwarzmarkt verkauften. In vielen Fällen lieferte die Firma die Schmerzmittel weiter an die Drogerien und unterliess es, die Drogenbekämpfungsbehörde zu informieren.
Ebenso bestand Purdue darauf, dass OxyContin nur alle 12 Stunden verabreicht werden sollte, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen, obwohl Erfahrungen zeigten, dass das zu lang war und die Suchtgefahr steigerte. Reporterin Harriet Ryan erklärt: «Das ist das einzige Verkaufsargument für das teure Medikament: dass es länger andauert.» Purdue Pharma weist jegliche Schuld von sich.
Aufgrund des Artikels von Ryan wollen Kongressabgeordnete in Kalifornien eine Untersuchung gegen die Firma einleiten.
Öffentlichkeit hinters Licht geführt
In New Hampshire verlangte Staatsanwalt Joseph Foster schon vor einem Jahr die Herausgabe von Marketingmaterial von fünf Herstellern, darunter auch Purdue. Sie widersetzen sich bis heute. Foster sagte gegenüber National Public Radio: «Wenn sie die Öffentlichkeit weiterhin hinters Licht führen, werden wir weiter Drogenabhängige schaffen. Vier von fünf Heroinabhängige waren zuerst süchtig nach Schmerzmitteln.»
Das Problem ist längst erkannt. Die nationale Seuchenbekämpfungsbehörde hat dieses Jahr neue Empfehlungen herausgegeben für die Verschreibung von Opiaten. Viele Ärzte tun sich aber schwer damit, weniger zu verschreiben.
Weg des geringeren Widerstandes
Notfallarzt Hallam Gugelmann hat zur Opiate-Epidemie publiziert. Er sieht im Spital in San Francisco, wo er arbeitet, täglich Schmerzmittelsüchtige im Notfall ankommen. «Es ist ein äusserst schwieriges Gespräch, wenn man dem Patienten sagt, er sei abhängig geworden von seinen Medikamenten. Wir haben immer weniger Zeit und deshalb ist die Versuchung gross, den einfachen Weg zu gehen und wieder ein Rezept abzugeben.»
Die Rolle der Pharma-Industrie kann nicht übertrieben werden
In den USA verlangten Patienten oft, von ihren Schmerzen befreit zu werden, und wollten das Problem nicht an der Wurzel packen, wie etwa Übergewicht, das zu Rücken- und Gliederschmerzen führt, sagt der Schweizerisch-amerikanische Doppelbürger.
Pharma-Industrie bisher fein raus
Diese Erwartungshaltung wird von Pharmafirmen gefördert, die in den USA Werbung machen dürfen für rezeptpflichtige Medikamente. Und ihre Lobby hat diesen Sommer im Kongress ein Gesetz durchgebracht, dank dem sie künftig von der Drogenverfolgungsbehörde weniger einfach belangt werden können.
Hallam Gugelman meint: «Die Rolle der Pharma-Industrie kann nicht übertrieben werden. So lange sie weiterhin diese Medikamente so stark vermarkten und eine so starke Lobby haben in der Politik, wird es schwierig sein, das Problem zu lösen.»
Mit jedem Tag, der vergeht, sterben derweil in den USA weitere 80 Menschen an einer Überdosis an opiathaltigen Medikamenten oder Heroin.