Viele Polen sind mit der liberalen Regierung unzufrieden. Am Sonntag sind sie dazu aufgerufen, ein neues Parlament zu bestimmen. Alles deutet auf einen Machtwechsel hin.
Jüngsten Umfragen zufolge kann die konservative Opposition mit einem klaren Sieg rechnen. Auch wenn die europaskeptische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wohl keine absolute Mehrheit erhält, dürfte sie leicht Verbündete zur Bildung einer Regierung finden. Eine Rückkehr der Konservativen an die Macht dürfte sich auch auf die EU-Politik auswirken.
Partei von Ex-Ministerpräsident liegt vorn
In letzten Umfragen vor der Wahl kam die nationalkonservative PiS des ehemaligen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski am Freitag auf 32 bis 40 Prozent der Stimmen. Sie liegt damit rund zehn Prozentpunkte vor der liberalen Bürgerplattform (PO) von Ministerpräsidentin Ewa Kopacz, die nur 24 bis 28 Prozent erreichte.
Als wahrscheinlichster Partner der PiS gilt die Anti-Establishment-Partei Kukiz'15 des Punkrockers Pawel Kukiz, der bei der Präsidentenwahl im Mai überraschend auf 20 Prozent der Stimmen gekommen war.
Bei der Wahl hatte sich der kaum bekannte PiS-Kandidat Andrzej Duda gegen den liberalen Amtsinhaber Bronislaw Komorowski durchgesetzt. Auch die Bauernpartei PSL, die bisher mit der PO zusammen die Regierung stellt, könnte sich der PiS anschliessen. Die PiS tritt mit Dudas früherer Wahlkampfmanagerin Beata Szydlo als Spitzenkandidatin an.
Angst vor Flüchtlingen
Im Wahlkampf versprach Syzdlo eine Senkung der Steuern und eine Erhöhung der Sozialleistungen, während der umstrittene frühere Ministerpräsident Kaczynski mit scharfen Worten vor Gefahren durch Flüchtlinge warnte. Das Duo wurde nicht müde zu betonen, dass mit einer Fortsetzung der liberalen Regierung «Chaos» drohe. Syzdlo präsentierte zudem früh ein bereits fertiges 100-Tage-Programm.
Gegen die geschickte Wahlkampfführung der Konservativen nahm es sich wie ein Akt der Verzweiflung von Regierungschefin Kopacz aus, als sie die Polen schliesslich sogar vor einer kommenden «konfessionellen Republik» unter einer katholisch-erzkonservativen PiS-Regentschaft warnte – Polen ist mit mehr als 80 Prozent grösstenteils katholisch.
Solides Wachstum
Zwar verzeichnet Polen ein solides Wachstum und eine relativ niedrige Arbeitslosigkeit, doch konnte die Regierung daraus kaum Nutzen ziehen. Nach Einschätzung von Experten wurde die PO durch den Wechsel von Ministerpräsident Donald Tusk ins Amt des EU-Ratspräsidenten geschwächt.
Zudem leidet die Partei unter den Folgen eines Abhörskandals vergangenes Jahr. Ihr Image weiter beschädigen dürfte die Entlassung von Vize-Justizministerin Monika Zbrojewska am Freitagabend. Sie war von der Polizei wegen Trunkenheit am Steuer gestoppt worden.
Internationale Spannungen
Kaczynskis PiS punktete nach acht Jahren Opposition dagegen mit einer Reformagenda und einer «Wir schaffen das!»-Variante («Damy rade!») als Schlachtruf. Kaczynski regierte Polen von 2005 bis 2007 im Tandem mit seinem Zwillingsbruder Lech, der das Amt des Staatspräsidenten inne hatte.
Mit einem Wechsel zu einer PiS-geführten Regierung in Polen dürften sich nach Einschätzung von Experten die Beziehungen Warschaus zu Brüssel, Berlin und Moskau wieder schwieriger gestalten.