Eine Anschlagsserie hat am Donnerstagmorgen die indonesische Hauptstadt Jakarta aufgeschreckt. Wie sind die Gewaltakte zu bewerten? Fragen an Sergio Grassi von der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Millionenmetropole.
SRF News: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Terrormiliz IS in Indonesien Einfluss hat?
Sergio Grassi: Man kann mit relativer Sicherheit sagen, dass die Terrordrohungen vor Weihnachten und Neujahr in Verbindung mit IS-Anhängern standen. Insofern gibt es auch jetzt wieder Gerüchte, dass hinter den jüngsten Anschlägen radikal-muslimisch motivierte Terroristen stehen. Das ist aber noch nicht bestätigt.
Gewisse Stimmen sagen, dass Indonesien als grösstes muslimisches Land der Erde keinen klaren Trend zur Radikalisierung aufzeige. Es gibt hier zwei grosse islamische Massenorganisationen, die vergleichsweise moderat agieren und entsprechenden Einfluss ausüben. Es wird sodann von den einen zitiert, dass sich bislang noch relativ wenig Indonesier den Kriegshandlungen in Syrien angeschlossen hätten. Andere wiederum bezeichnen Indonesien als sichersten Platz in Südostasien für Terroristen – als Durchlaufstelle für eine Weiterreise nach Syrien.
Besteht eine Angst, dass der IS in Indonesien wirklich Fuss fassen könnte?
Die Angst besteht. Es gab vor Weihnachten auch neun Festnahmen in Vororten von Jakarta. Diese Personen sollen Anschläge geplant haben. Bei diesen Verhafteten gab es klare Hinweise auf eine Anhängerschaft beim IS.
In Indonesien ist der gemässigte Islam verbreitet. Ist annäherungsweise bekannt, wie viele Extremisten, egal welcher Anhängerschaft, im Land sind?
Von offiziellen Vertretern Indonesiens habe ich gehört, dass sich erst 50 Personen aus Indonesien dem IS in Syrien angeschlossen hätten. Dies wäre bei 250 Millionen Einwohnern in der Tat eine verschwindend kleine Zahl. Gerade auch im Vergleich zu den Zahlen, die man aus Europa kennt. Andere sprechen von um die tausend Extremisten.
Hat die indonesische Regierung ein Interesse, solche Zahlen offenzulegen?
Genau wie in Istanbul vor wenigen Tagen trifft der Anschlag mit der Hauptstadt Jakarta auch das wirtschaftliche Herz des Landes. Das wird einen negativen Einfluss auf die Tourismusbranche haben. Insofern gibt es Interessen seitens der indonesischen Führung, nicht das Bild einer ständigen Terrorgefahr zu vermitteln. Gleichwohl kann man in Indonesien nicht beobachten, dass etwas zu vertuschen versucht wird. Die Medien berichten frei.
Das Interview führte Ivana Pribakovic.