Die Verletzung des türkischen Luftraums durch zwei russische Kampfflugzeuge am Wochenende hat zu Spannungen zwischen Ankara und Moskau geführt. Die Türkei bestellte den russischen Botschafter ein. Die Nato warnte Russland vor weiteren Verletzungen des Luftraumes ihres Bündnispartners.
Im Baltikum schon gesehen
«Es ist offenbar zu einer Regel der russischen Luftwaffe geworden, die Fähigkeiten anderer Nationen im Bereich der Luftabwehr und der Aufklärung zu testen», sagt Markus Kaim. Der Politologe verweist darauf, dass russische Flugzeuge schon im Zuge der Ukraine-Krise in den Nato-Luftraum über den baltischen Staaten, Schweden oder Finnland eingedrungen seien. Nun wolle man aufgrund des russischen Engagements in Syrien die Fähigkeiten der türkischen Luftwaffe austesten.
An eine versehentliche Verletzung des Luftraumes wegen schlechten Wetters, wie von der russischen Regierung kolportiert wurde, glaubt Kaim also nicht: «Ich denke, die russischen Piloten fliegen besser, als die Regierung öffentlich zugegeben hat.»
Vielmehr macht er hinter der Aktion politisches Kalkül aus: «Hier wurde das Signal gegeben, dass man an allen militärischen Überlegungen betreffend Syrien nicht mehr an Russland vorbeikommt.»
Russland bestimmt Flugzonen
Der Politologe verweist auf den Fakt, dass nun russische und westliche Flugzeuge auf einem relativ engen Gebiet über Syrien gleichzeitig operieren. Bereits jetzt ist ein hohes Mass an Koordination erforderlich, um ungewollte Zusammenstösse zu verhindern: «Wenn sich Russland dieser Koordination verweigern sollte, entsteht de facto eine Flugverbotszone, die von Russland bestimmt wird, weil westliche Flugzeuge in russisch kontrolliertes Gebiet nicht mehr einfliegen werden», ist sich Kaim sicher.
Eskalation unwahrscheinlich
Russland hat sich somit ein patentes Mittel geschaffen, um seine Macht zu demonstrieren und ernst genommen zu werden. An eine echte Eskalation im Sinne eines Zusammenstosses eines russischen und eines amerikanischen Kampfjets glaubt der Politologe aber nicht: «Es herrscht kein Stau über Syrien. Die westliche Allianz fliegt weniger als zehn Luftangriffe pro Tag gegen den IS.» Es sei also durchaus machbar, Korridore festzulegen.
Die Furcht vor einer unmittelbaren militärischen Konfrontation zwischen der Nato und Russland in den nächsten Tagen sieht Kaim folglich als falschen Alarmismus an. Die Aktion illustriere in erster Linie, die Entschlossenheit der russischen Führung, ihren Geltungsanspruch im Nahen Osten auch militärisch und politisch zu untermauern.