Noch immer harren in der ungarischen Kleinstadt Bicske hunderte Flüchtlinge in einem von den Behörden gestoppten Zug aus. Währenddessen hat Ungarn einen zweiten Zug mit 120 Flüchtlingen aufgehalten, die Richtung Westen reisen wollten.
Laut Informationen der Polizei wurde der Zug aus Budapest unweit der Grenze zu Österreich im Dorf Nagyszentjanos gestoppt. 83 Asylsuchende hätten sich sofort registrieren lassen, die übrigen nach längeren Protesten in der Nacht zum Freitag. Anschliessend wurden die Flüchtlinge in ein Auffanglager gebracht.
Flüchtlinge verweigern Nahrung und Trinkwasser
Gegen eine solche Abschiebung in ein Flüchtlingslager wehren sich weiterhin die rund 500 Asylsuchenden in Bicske. Sie haben – entgegen dem, was die lokalen Behörden angeordnet hatten – im gestoppten Zug übernachtet, der sie eigentlich in Richtung Sopron hätte bringen sollen.
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Was war geschehen? Nachdem die ungarische Polizei am Vortag den Bahnhof Budapest freigegeben hatte, waren sie in einen Zug mit Kurs nach Österreich gestiegen. Doch nach einer rund halbstündigen Fahrt wurde die Bahn in Bicske jäh gestoppt. 37 Kilometer westlich von Budapest standen für die Migranten 20 Busse bereit.
Sie haben aber gerade einmal ein gutes Dutzend der Flüchtlinge in ein nahes Auffanglager bringen können. Die anderen nämlich wehrten sich und bestanden darauf, nach Westen zu reisen. Und um zu zeigen, wie ernst es ihnen mit diesem Anliegen ist, legten sich einige von ihnen gar auf die Gleise. Ihr Protest hält heute weiter an. Wie die Polizei inzwischen verlauten liess, nehmen die Migranten auch weiterhin keine Nahrung und kein Trinkwasser an.
Man habe nur die Personalien kontrollieren wollen
Dass die Polizei den Zug in Budapest zunächst losfahren liess, in Bicske aber abrupt zum Anhalten zwang, erklärt diese wie folgt: Man habe nur die Personalien der Flüchtlinge kontrollieren wollen. Wegen der chaotischen Zustände am Budapester Ostbahnhof sei dies beim Einstieg der Migranten nicht möglich gewesen.
Diejenigen Flüchtlinge, die sich jetzt in Bicske freiwillig kontrollieren liessen, würden in Aufnahmelager gebracht, erklärte der Vize-Chef der ungarischen Einwanderungsbehörde, Attila Kiss. Diejenigen, die die Kontrolle verweigerten, würden hingegen abgeschoben. Gemäss ungarischen Regelungen werden die Migranten in das Land zurückgewiesen, aus dem sie eingereist sind. In den meisten Fällen ist dies derzeit Serbien.
Freiwillige Helfer wurden vertrieben
Der Zug mit den protestierenden Flüchtlingen hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Und die Lage blieb während der vergangenen Nacht angespannt. Freiwillige, die den Flüchtlingen Essen bringen wollten, wurden von der Eisenbahn ferngehalten. Und Journalisten sollen gar mit Schlagstöcken vertrieben worden sein.
Laut österreichischer Polizei verkehren weiterhin keine Fernzüge von Budapest nach Wien. Auf alternativen Routen seien am Donnerstag bis zum späten Abend rund 200 Flüchtlinge an den beiden grössten Wiener Bahnhöfen angekommen, sagte ein Sprecher der Polizei Wien. Ein Grossteil davon befinde sich bereits auf der Weiterreise Richtung Westen.
Viktor Orban malt ein düsteres Bild
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat erneut vor den Folgen eines wachsenden Flüchtlingszustroms nach Europa gewarnt.
Und plötzlich sind wir eine Minderheit auf unserem eigenen Kontinent.
Europa müsse beim Schutz seiner Grenzen Härte demonstrieren. Ungarn werde sich an die Umsetzung der EU-Regeln halten, ergänzte Orban mit Blick auf mehrere Tausend Flüchtlinge, die derzeit in Ungarn auf eine Weiterreise nach Österreich und Deutschland hoffen. Wenn Deutschland Visa für die Flüchtlinge ausstelle, dürften sie auch ausreisen. Allerdings wollten sich viele der Flüchtlinge nicht in Ungarn registrieren lassen und dürften daher nicht weiterreisen.
Während sich die Flüchtlinge von Bicske im Hungerstreik befinden, sind in den letzten 24 Stunden mehr als 3000 neue Flüchtlinge in Ungarn angekommen. Das teilte die Polizei in Budapest mit. Elf Schlepper seien im selben Zeitraum festgenommen worden. Ungarn will den neuen Zaun an der serbischen Grenze vom 15. September an verstärkt mit Militär und Polizei kontrollieren. Heute sollte das Parlament über entsprechende Gesetzesänderungen abstimmen.