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Burkiniverbot: Darf er verboten werden?
Aus Tagesschau vom 26.08.2016.
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International «Der Burkini ist ein Symbol für Freiheit»

Aheda Zanetti hat den Burkini vor zwölf Jahren erfunden. Die Australierin mit libanesischen Wurzeln hätte sich damals kaum vorstellen können, was für hitzige Debatten der Ganzkörper-Badeanzug auslösen wird. Es schmerzt sie zu sehen, wie Frankreich mit Burkini-Trägerinnen umgeht. Ein Gespräch.

SRF News: In Frankreich wird der Burkini derzeit heftig debattiert. An den Stränden von Nizza ist er verboten. Das Oberste Verwaltungsgericht Frankreichs klärt zurzeit ab, ob ein solches Verbot zulässig ist: Sie befinden sich in Ihrer Burkini-Fabrik in Sydney. Was spüren Sie von dieser Kontroverse?

Aheda Zanetti: Bei uns hat die Debatte zu einem dramatischen Anstieg unserer Verkaufszahlen geführt. Allein in den letzten drei, vier Tagen haben sie sich vervierfacht. Aus unternehmerischer Sicht sind das natürlich tolle Nachrichten – mein Buchhalter wird sehr zufrieden sein mit mir. Aber persönlich schmerzt es mich sehr zu sehen, wie diese Frauen an den Stränden in Frankreich behandelt werden, nur weil sie sich für diese Art von Badeanzug entscheiden. Ich bin selber Muslimin, Mutter, Frau, Schwester, Tochter – und ich fühle mit diesen Frauen mit.

Die Debatte hat zu einem dramatischen Anstieg unserer Verkaufszahlen geführt.
Eine Surferin in einem Burkini trägt ihr Brett an einem Strand.
Legende: Freiheit oder Unterdrückung? Diese Surferin im Burkini scheint den Moment am Strand zu geniessen. Keystone/Archiv

Ihr Produkt steht im Zentrum dieser Debatte. Wie fühlt sich das an?

Ich glaube, es gibt ein Missverständnis darüber, was ein Burkini überhaupt ist: Ist es wirklich mein Produkt, das die Debatte weiter anheizt, oder läuten vielleicht schon beim Namen Burkini die Alarmglocken? Der Burkini ist kein Symbol des Islam. Es gibt auch Frauen, die Burkinis tragen, die keine Musliminnen sind, beispielsweise weil sie ihre Haut vor der Sonne schützen müssen, oder weil sie ihren Körper nicht ausstellen wollen und sich so wohler fühlen. Als Muslimin gibt mir der Burkini die Möglichkeit, meinem Glauben treu zu bleiben und mich trotzdem schön zu fühlen und an den Strand zu gehen. Für mich ist es ein unglaubliches Gefühl, dass ich so vielen Frauen auf der ganzen Welt helfen konnte.

Der Burkini ist kein Symbol des Islam. Es gibt auch Nicht-Musliminnen, die Burkinis tragen, um ihre Haut zu schützen.
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Hören Sie hier das Gespräch mit Aheda Zanetti
aus SRF 4 News aktuell vom 26.08.2016.
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Nicolas Sarkozy, der ehemalige Präsident von Frankreich und Präsidentschaftskandidat, sagte diese Woche im französischen Fernsehen, der Burkini sei ganz klar eine Provokation und ein Symbol des politischen, radikalisierten Islam. Was sagen Sie dazu?

Ich werde doch nicht gleich zur Terroristin, nur weil ich mich entscheide, einen Burkini zu tragen. Ich glaube, niemand denkt an irgendwelche kriminellen Machenschaften während er einen solchen Badeanzug trägt. Man entscheidet sich für einen solchen Badeanzug, weil man gleichberechtigt sein will. Ich glaube, er hat das einfach nicht verstanden.

Was sehen Sie denn, wenn Sie einen Burkini sehen?

Ich sehe Freiheit. Ich sehe Freiheit, ich sehe Selbstbewusstsein. Ich sehe Möglichkeiten, die mir offen stehen, die ich früher nicht hatte, die viel stärker und gesünder sind. Ich sehe Fitness und Fröhlichkeit.

Ich werde doch nicht gleich zur Terroristin, nur weil ich mich entscheide, einen Burkini zu tragen.

Es gibt auch Leute, die nicht zwingend negative Vorurteile gegenüber Muslimen haben und die einfach irritiert sind, eine verhüllte Frau am Strand zu sehen, weil das ungewöhnlich ist. Was würden Sie solchen Leuten sagen?

Entscheid erwartet

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Frankreichs Oberstes Verwaltungsgericht verkündet heute seine Entscheidung über die Burkini-Verbote. In diesem Sommer haben zahlreiche französische Ferienorte, darunter Cannes und Nizza, das Tragen von Burkinis untersagt. Sie begründeten die Verbote mit der angespannten Stimmung nach den Anschlägen. Der Burkini könne die öffentliche Ordnung stören.

Wir werden ziemlich angeschaut, wenn wir am Strand sind. Es gibt auch viele positive Reaktionen. Aber klar, manche sind vermutlich wirklich irritiert. Mir wäre es am liebsten, wenn diese Leute direkt auf mich zukämen. Wenn irgendwo Verwirrung besteht, dann muss man drüber reden – in der Hoffnung, dass meine Antworten die Verwirrung aus der Welt schaffen. Wir sind Menschen, genau wie ihr. Wir wollen auch frei und glücklich sein. Die Tragödien, die auf dieser Welt geschehen, machen uns genauso betroffen, wie euch. Wir stellen keine Bedrohung für euch dar – und ihr nicht für uns. Es wäre grossartig, wenn mehr Leute solche Gespräche suchen würden und keine Angst vor dem Schleier hätten. Dieser ist unbedeutend. Was zählt, ist die Person, die darunter steckt.

Nehmen wir an, Australien würde sich ein Beispiel an Frankreich nehmen, und Sie dürften in Sydney auf einmal nicht mehr im Burkini an den Strand. Was würde das für Sie bedeuten?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Australien passieren würde. Australien ist ein multikulturelles Land, in dem wir akzeptiert sind. Wir dürfen sein, wer wir wollen und glauben, an was wir wollen. Aber nehmen wir an, es wäre so: Dann würde ich wissen wollen warum. Man kann nicht einfach mit Worten um sich schmeissen, ohne darüber nachzudenken, was man eigentlich sagt, ohne sich zu informieren, zu diskutieren und Kompromisse zu finden. Die Politiker in Frankreich sollten ihre Vorurteile fallen lassen und sich anschauen, was ein Burkini wirklich ist. Ich hoffe, dass beispielsweise Herr Sarkozy dann bereit wäre, seine Meinung zu ändern und einzusehen, dass er falsch lag mit seiner Aussage.

Das Gespräch führte Melanie Pfändler.

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