Im Streit um das iranische Atomprogramm gehe es vor allem um Vertrauen, sagt Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von SRF. Oder genauer: um den Mangel an Vertrauen. Genau deshalb sei das Abkommen enorm wichtig, das der Iran im Frühjahr mit der UNO-Atombehörde IAEA schloss.
Dieses sehe vor, dass Teheran seine nuklearen Aktivitäten gegenüber den internationalen Inspektoren vollumfänglich offenlege. Nur so könnten diese herausfinden, ob das iranische Atomprogramm tatsächlich – wie die Regierung seit Jahren behauptet – ausschliesslich zivilen Zwecken diene.
Bis heute hätte der Iran der IAEA gemäss diesem Abkommen volle Transparenz gewähren sollen. Nicht zuletzt zu offenen Fragen wie der, ob das Land bisher heimlich mit Atomsprengköpfen experimentiert habe oder nicht, erklärt Gsteiger.
IAEA-Chef Yukiya Amano sei vom Treffen mit dem iranischen bei Atomchef Ali Akbar Salehi und Präsident Hassan Rohani vor einer Woche zumindest mit begrenzter Zuversicht zurückgekehrt. Ja, der Iran habe zusätzliche Informationen geliefert. Nein, noch nicht alle. Aber ja, die Frist, die nun heute abläuft, könne eingehalten werden, wenn auch knapp.
Die Kehrtwende
Doch danach sehe es auf einmal nicht mehr aus, meint Gsteiger. Die Militäranlage Parchin dürften die IAEA-Experten jetzt doch nicht besuchen. Doch eine Inspektion genau dieser Anlage südöstlich von Teheran sei zur Vertrauensbildung zwingend. Denn hier, so werde vermutet, sollen die Geheimexperimente durchgeführt worden sein.
Die neuen Schwierigkeiten seien umso ärgerlicher, als es neben der Beendigung des jahrzehntealten Atomstreits weitere gute Gründe gebe, das Verhältnis zwischen dem Iran und dem Westen – vor allem den USA – zu normalisieren. Die Aufhebung der für den Iran schmerzhaften Sanktionen sei einer davon.
Ein neuer sei die dringend notwendige Zusammenarbeit im Irak angesichts des blutigen Terrors durch den sogenannten Islamischen Staat, sagt der Fachmann für Sicherheitsfragen und Genpolitik. Die Erstarkung der sunnitischen Extremisten sei für den grösstenteils schiitischen Iran eine mindestens ebenso grosse Bedrohung wie für den Westen, aber auch für Russland und die USA.
Die Bedingung
ARD-Korrespondent Reinhardt Baumgarten ist überzeugt, dass der Iran hinter den Kulissen bereits mit den USA über Möglichkeiten rede, wie gegen den Islamischen Staat vorzugehen sei. «Die Iraner haben viele Leute in der Region, die Informationen über Bewegungen der IS-Kämpfer sammeln. Die USA dürfte diese Informationen nutzen wollen, um ihre Luftaufklärung damit zu ergänzen.»
Offiziell sei der Iran allerdings nur unter einer Bedingung bereit, den Westen zu unterstützen: Alle Sanktionen im Zusammenhang mit dem Atomprogramm müssten fallen.
Diese Position dürfte keine Chance haben, sagt Baumgarten. «Lockert der Westen nun die Sanktionen gegenüber dem Iran, um dessen Hilfe im Kampf gegen den Islamischen Staat zu gewinnen, gibt man genau das Mittel auf, das den Iran überhaupt an den Verhandlungstisch gebracht hat.»
Das Problem
Dieses Druckmittel aufzugeben, seien die USA und ihre Partner nicht bereit. Volle Zusammenarbeit mit der IAEA ist und bleibt also die Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss der Atomverhandlungen zwischen dem Iran und den UNO-Vetomächten plus Deutschland. Selbst dann dürfe sich die iranische Führung nicht der Illusion hingeben, dass die Sanktionen schnell abgebaut würden, meint Baumgarten. «Das wird noch lange dauern, vielleicht zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre.»
So lange kann der Iran aber nicht mit der Bekämpfung des sich ausbreitenden Islamischen Staats warten: «Wenn die IS-Krieger 25 Kilometer vor der iranischen Grenze stehen, ist es an der Zeit zu handeln», sagt Baumgarten. Der Iran scheint im Atompoker also das schlechtere Blatt zu haben. Immerhin wurde die Frist zur Offenlegung der Atomanlage in Parchin bis November erstreckt. Bis dann dürfte sich der Einsatz für den Iran angesichts der jüngsten Entwicklungen aber noch erhöhen.