Das ukrainische Parlament hat mit der Beratung über ein von der Opposition initiiertes Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Mykola Asarow begonnen. Vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Kiew demonstrierten erneut Tausende Menschen gegen die Abwendung des Landes von der Europäischen Union und den Druck aus Russland.
Aufstand wegen EU-Abkommen
Um die Abstimmung zu gewinnen, bräuchte die Opposition um Vitali Klitschko 226 der 450 Stimmen in der Rada, die allerdings von der Partei der Regionen von Staatschef Viktor Janukowitsch dominiert wird. Zuletzt rechnete die Opposition mit etwa 215 Stimmen.
Die Demonstranten fordern seit Tagen den Rücktritt Janukowitschs und Asarows. Janukowitsch hatte vor knapp zwei Wochen auf Druck Russlands das lange geplante Assoziierungsabkommen mit der EU gestoppt.
Menschen am Sonntag auf der Strasse
Am Sonntag versammelten sich trotz eines Demonstrationsverbots mehr als 100'000 Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz im Zentrum Kiews. Die grösste Kundgebung seit der Orangenen Revolution im Jahr 2004 verlief friedlich, am Rande der Proteste gab es jedoch gewaltsame Zusammenstösse mit der Polizei. Nach jüngsten Angaben der Behörden wurden fast 200 Menschen verletzt.
Seither haben die Proteste angehalten: Auch die Nacht auf Dienstag verbrachten Tausende Oppositionsanhänger in Zelten auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz – trotz Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Sie kündigten eine erneute Blockade des Regierungsviertels an. Ausgenommen werden sollte hingegen das Parlament, in dem die Vertrauensabstimmung stattfindet.
Ausgang ungewiss
Ob die Absetzung von Asarow gelingt, bezweifelt SRF-Korrespondent Christof Franzen in Kiew. «Noch immer verfügt die Partei von Janukowitsch über eine solide Mehrheit, dies obwohl einige seiner Anhänger bereits abgesprungen sind.»
Die inhaftierte Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko rief die EU zur Unterstützung der Opposition in der Ukraine auf. Der Westen dürfe die «autoritäre Politik» von Präsident Viktor Janukowitsch nicht dulden, zitierte ihre Tochter Jewgenija Timoschenko aus einer Botschaft.
Ihrer Mutter gehe es trotz eines bereits achttägigen Hungerstreiks gut. Die Oppositionspolitikerin protestiert mit der Nahrungsverweigerung dagegen, dass die Führung um Janukowitsch das Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis gelegt hat.
Putin beschwichtigt
Ungeachtet der Massenproteste auf der Strasse fühlt sich der Präsident sicher im Sattel. Aus dem Kreml kommt breite Unterstützung. Der russische Präsident Wladimir Putin glaubt an eine Stabilisierung der Lage in Kiew.
Der Aufmarsch habe nichts mit der Abkehr vom EU-Kurs zu tun. Die Strassenaktionen deuteten vielmehr auf Machtkämpfe vor der Präsidentenwahl 2015 hin. Von einer Revolution könne keine Rede sein.
Die Worte aus Russland interessieren die Menschen auf dem Maidan-Platz mitten in Kiew kaum. Dort sind die Demonstranten fest entschlossen, eine Wende herbeizuführen. «Wir wollen nicht nur irgendwelche Minister auswechseln, sondern das politische System ändern», sagte Klitschko.