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Julian Assange auf einer Leinwand mit UNO-Wappen im Hintergrund
Legende: Assange lebt seit 3,5 Jahren im Exil in Ecuadors Botschaft in London. Keystone

International Ein UNO-Gutachten auf dünnem Eis

Der Australier Julian Assange soll ab sofort wieder ein freier Mann sein. Das UNO-Verdikt ist klar. Dieses Gerichtsurteil ist aber eher ein Rechtsgutachten, also nicht bindend. Ausserdem stellen sich inhaltlich wie formal einige Fragen.

Nur gerade eine knappe Seite lang ist die Begründung des UNO-Expertengremiums über willkürliche Haft. Aber in der Aussage glasklar: Der Australier Julian Assange soll ab sofort wieder ein freier Mann sein. Und er hat gar Anspruch auf Entschädigungszahlungen. Denn er sei, so die UNO-Juristen, zu Unrecht in der ecuadorianischen Botschaft in London seiner Freiheit beraubt. Und das seit dreieinhalb Jahren.

Fredy Gsteiger

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Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St.Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» und Chefredaktor der «Weltwoche».

Würde Assange die Botschaft, in der er Unterschlupf gefunden hat, verlassen, würde ihn die britische Polizei festnehmen und nach Schweden ausliefern. Dort wird wegen Vergewaltigung gegen ihn ermittelt. Also keineswegs bloss wegen eines Kavaliersdelikts. Deswegen existiert gegen ihn auch ein europäischer Haftbefehl.

Noch keine Klage aus den USA

Assange behauptet allerdings, er habe nicht deswegen um Botschaftsasyl ersucht, weil er die schwedische Strafuntersuchung fürchte. Vielmehr weil er Angst habe, dass die USA gegen ihn Anklage erheben würden. Und zwar weil er 2010 über die Internet-Plattform Wikileaks hunderttausende von vertraulichen US-Dokumenten veröffentlicht hat. Und weil Schweden ihn an die Vereinigten Staaten ausliefern könnte. Noch gibt es jedoch gar keine amerikanische Anklage gegen ihn. Und es ist ebenfalls völlig offen, ob Schweden ihn tatsächlich an die USA ausliefern würde.

Die jetzige Entscheidung des UNO-Expertengremiums, das zum Menschenrechtsrat in Genf gehört, hat nicht das Gewicht eines UNO-Gerichtsurteils. Es ist eher ein Rechtsgutachten. Also nicht bindend. Und es steht erst noch auf eher dünnem Eis. Inhaltlich wie formal.

Von den fünf Experten, die sich mit dem Fall Assange beschäftigt haben, musste das australische Mitglied in Ausstand treten, weil es um einen Landsmann ging. Ein weiterer Gutachter ist mit dem Verdikt nicht einverstanden. Für Assange votierten also nur drei der fünf Experten.

Audio
UNO-Gutachten steht auf dünnem Eis
aus SRF 4 News aktuell vom 05.02.2016.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 25 Sekunden.

Propagandaerfolg für Assange

Inhaltlich zeugt der UNO-Befund zumindest von einer sehr weitgehenden Interpretation von «willkürlicher Haft», zumal Assange das Botschaftsasyl ja selber gewählt hat.

Dennoch ist das Gutachten zumindest ein Propagandaerfolg für Assange. Zwar heisst es in London weiterhin, Assange werde verhaftet und nach Schweden verfrachtet, sobald er die Botschaft von Ecuador verlasse. Und Schweden hält vorläufig am Haftbefehl fest.

Die Entscheidungen des UNO-Gremiums über willkürliche Haft werden in Unrechtsstaaten in der Regel völlig ignoriert. In Rechtsstaaten wie Schweden oder Grossbritannien haben sie hingegen zumindest politisch-moralisches Gewicht. Jene Kräfte und Organisationen, die sich schon bisher für freies Geleit für Assange eingesetzt haben, bekommen nun Auftrieb. Ob das reicht, damit der Wikileaks-Gründer wieder zu einem freien Mann wird, ist aber vorläufig völlig offen.

Das ist die WGAD

Die Arbeitsgruppe zu willkürlichen Inhaftierungen (WGAD) wurde 1991 eingerichtet. Sie untersucht weltweit Fälle, in denen Menschen ohne rechtliche Grundlage die Freiheit entzogen wurde oder prüft, ob ein Urteil als willkürlich einzustufen ist. Das Team aus fünf Experten untersteht dem UNO-Menschenrechtsrat.
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