Das Wichtigste in Kürze:
- Ungarn registriert die Flüchtlinge offenbar nicht mehr, sondern bringt sie direkt an die österreichische Grenze.
- Bevor die Polizei am Montagnachmittag die letzte Lücke im Grenzzaun zu Serbien schloss, kam nochmals eine Rekordzahl an Flüchtlingen ins Land.
- Österreich setzt die Armee zur Unterstützung ein und will wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Ungarn durchführen.
- Die deutschen Grenzen werden von Bundespolizisten kontrolliert.
- Verstärkte Kontrollen an der deutsch-schweizerischen Grenze.
- Der Bundesrat sieht derzeit von Grenzkontrollen ab.
- Auch die Niederlande planen Grenzkontrollen.
+++Bundesrat: Keine Grenzkontrollen+++
Für den Bundesrat sind derzeit die Voraussetzungen nicht gegeben, an den Schweizer Grenzen wieder Kontrollen einzuführen. Weder die öffentliche Ordnung noch die innere Sicherheit seien bedroht.
Dies schreibt der Bundesrat in Antworten auf Fragen des Nationalrates. Die Fragestunde konnte am Montag aus zeitlichen Gründen nicht stattfinden.
Die Regierung wiederholte in ihrem Schreiben ihre Haltung zu Schengen-Dublin: Die Mitgliedsländer des Abkommens müssten ihren Verpflichtungen nachkommen. Das beinhalte eine menschenwürdige Unterbringung genauso wie die Registrierung der Migrantinnen und Migranten im Ersteinreisestaat. Das System stosse aber wegen der ausserordentlichen Flüchtlingssituation an seine Grenzen.
+++Flüchtlingsbusse von Röszke nach Österreich+++
Obwohl Ungarn am Montag die letzte Lücke im Grenzzaun nach Serbien schloss, kamen auch am Abend immer neue Flüchtlinge ins Land.
«Die Szene ist völlig absurd», berichtet SRF-Sonderkorrespondent Markel Anderwert aus Röske. Einen Kilometer von der nun geschlossenen Lücke im Zaun entfernt gebe es einen offiziellen Grenzübergang an einer Autobahn. Dort würden die Flüchtlinge ins Land gelassen, in Bussen zum Bahnhof verfrachtet und direkt nach Österreich gefahren.
Unkontrollierte Grenzübertritte sollen nach dem Willen der ungarischen Regierung mit der Fertigstellung des Grenzzauns jedoch nicht mehr möglich sein.
+++Grosseinsatz der Polizei an deutsch-österreichischen Grenze+++
Im kleinen bayerischen Grenzort Freilassing kamen bis am frühen Montagabend rund 500 Flüchtlinge an. «Die Flüchtlinge, welche hier man hier abfängt, werden zwar nicht zurückgeschickt, aber sie werden in ihrer Weiterreise gestoppt. Die Polizei ist hier mit einem unglaublichen Aufgebot,» sagt SRF-Sonderkorrespondentin Henriette Engbersen.
Am örtlichen Bahnhof würden die ankommenden Menschen kontrolliert und in eine Unterkunft gebracht. Dort würden sie registriert. Ob sie danach weiterreisen können, sei derzeit unklar.
Die massive Polizeipräsenz im Grenzort Freilassing und die akribischen Kontrollen würden wie ein Signal wirken, sagt die SRF-Korrespondentin. Nämlich: «Eine unkontrollierte Weiterreise durch Europa soll nicht mehr so einfach möglich sein.»
+++Rekord-Ansturm auf ungarische Grenze+++
Kurz vor der Schliessung der letzten Lücke im ungarischen Grenzzaun zu Serbien versuchten am Montag Tausende, noch ins EU-Land Ungarn zu gelangen. Allein bis am Mittag kamen 5353 Flüchtlinge aus Serbien nach Ungarn, wie die Polizei in Budapest mitteilte. Das waren fast so viele wie am gesamten Vortag, als 5809 Menschen kamen.
+++ Ungarn schliesst letzte Lücke im Zaun+++
Dutzendschaften der Ungarischen Polizei begaben sich am Montagnachmittag zur Lücke im Grenzzaun, wo die Bahnstrecke zwischen Serbien und Ungarn durchführt. Dort blockierten sie mit Unterstützung der Armee den Durchgang nach Norden.
Am Abend wurde die Strecke, die in den vergangenen Wochen Tausenden als Tor nach Ungarn gedient hatte, mit einem Güterwagen verbarrikadiert. Flüchtlinge wurden am Montag offiziell lediglich noch in kleinen Gruppen am Grenzübergang Horgos 2 ins Land gelassen.
+++ Ungarn bringt Flüchtlinge direkt an die Grenze +++
Ungarn hat nach Angaben des UNHCR offensichtlich damit begonnen, die von Serbien kommenden Flüchtlinge nicht mehr zu registrieren, sondern direkt in Zügen zur österreichischen Grenze zu bringen.
«Nach unseren Informationen bringen Spezialzüge die Flüchtlinge vom Grenzort Röszke direkt und ohne Halt zur österreichischen Grenze», sagte Erno Simon, der Repräsentant des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) für Zentraleuropa, der Nachrichtenagentur AFP.
Ungarische Polizisten hätten Flüchtlinge nachts aufgeweckt, um sie auf die Reise Richtung Österreich zu schicken. Die ungarische Regierung kommentierte die Berichte nicht.
+++ Auch Österreich will Grenzen kontrollieren +++
Zu den Berichten aus Ungarn passt, dass seit Mitternacht bis zu 7000 Menschen von Ungarn über die Grenze nach Österreich gekommen sind. Und der Zustrom hält an. «Es kommen Tausende in Österreich an, zur Stunde sind etwa 18'000 Flüchtlinge in Österreich», sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Nachmittag. An der ungarisch-österreichischen Grenze in Nickelsdorf sind nach
Polizeiangaben derzeit etwa 9000 Flüchtlinge.
Als Reaktion darauf will die österreichische Regierung deshalb einerseits die Landesgrenzen zu Ungarn wieder kontrollieren. Zum anderen hat die Regierung entschieden, Soldaten für die Bewältigung des Ansturms einzusetzen. 2200 Mann sollten vor allem humanitäre Hilfe im Inneren leisten, aber auch die Polizei unterstützen, so Faymann. Das Asylrecht müsse jedoch weiter gewährleistet sein.
Seit dem frühen Nachmittag ist der Zugkverkehr zwischen Salzburg und München nach Angaben der österreichischen Bahn (ÖBB) wieder unterbrochen. Grund dafür sei ein Rückstau durch die deutschen Grenzkontrollen. Die Behörden sperrten zudem die Autobahn zwischen Österreich und Ungarn bei Nickelsdorf. Dort befänden sich immer wieder Personen auf der Fahrbahn, so die
Autobahnbetreibergesellschaft Asfinag.
+++ Kontrollen an der deutsch-schweizerischen Grenze +++
Die deutsche Bundespolizei wird auch die Grenzen zur Schweiz und zu Frankreich verstärkt kontrollieren. Die Kontrollen an den Übergängen zur Schweiz und nach Frankreich seien aber «örtlich und zeitlich flexibel», sagte ein Sprecher der Direktion Stuttgart. «Das heisst, wir stehen nicht den ganzen Tag dort.»
+++ Deutschland: Bis zu 1 Million Flüchtlinge? +++
Das Nachbarland Deutschland stellt sich indessen seinerseits auf einen Massenansturm ein. Der deutsche Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel rechnet für das laufende Jahr mit einer Million Flüchtlingen im Land – und korrigierte so die bisherige Prognose der Bundesregierung von 800'000 Migranten nach oben. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dagegen, es gebe zurzeit keinen Anlass, die Prognose zu verändern.
Vieles deutet darauf hin, dass Deutschland in diesem Jahr nicht 800'000 Menschen aufnehmen muss, sondern eine Million.
Am Sonntag hatte Berlin entschieden, wieder Grenzkontrollen durchzuführen. So richtete die Polizei im Grenzgebiet zu Österreich am Sonntagabend Kontrollpunkte ein. Es seien aber nur vereinzelt und stichprobenartig Fahrzeuge angehalten und überprüft worden, berichtete ein dpa-Reporter von der Grenze bei Bad Reichenhall.
Es gebe mobile Kontrollen an Raststätten und Autobahnausfahrten sowie Stichproben bei verdächtigen Fahrzeugen, erklärte SRF-Korrespondent Peter Vögeli. «Deswegen kam es teilweise zu Staus von mehreren Kilometern, aber zu keinem Verkehrschaos.» Der internationale Zugsverkehr zwischen Österreich und Deutschland, der am Sonntagabend ausgesetzt wurde, laufe aber seit Montagmorgen wieder.
Wie lange Deutschland wieder Grenzkontrollen vornehmen wird, liess der deutsche Innenminister Thomas de Maizière offen. Doch betonte er, dass die Rechtslage mit Verweis auf die öffentliche Sicherheit nur vorübergend Kontrollen zulasse. Die Staaten des Schengen-Raums dürfen Kontrollen während maximal zwei Monaten aufrecht erhalten.
+++ Kontrollen an holländischen Grenzen +++
Nach Deutschland, Österreich und der Slowakei wollen jetzt auch die Niederlande angesichts der Flüchtlingszuwanderung an einzelnen Stellen wieder Grenzkontrollen einführen. Dies meldet die niederländische Nachrichtenagentur ANP.