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International Fünf vor zwölf für Berlusconi

Zum ersten Mal muss der frühere Premier Italiens bei Justizproblemen wirklich um seine Zukunft bangen: Ihm droht die erste rechtskräftige Verurteilung. Der Mediaset-Prozess könnte Silvio Berlusconi das Genick brechen.

Es wird eng für den Cavaliere: Ganz Italien erwartet heute mit Spannung das letztinstanzliche Urteil im sogenannten Mediaset-Prozess. Es wäre die erste rechtskräftige Verurteilung des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.

«Freispruch wäre ein Wunder»

Gespaltenes Italien

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47 Prozent der Italiener glauben, dass die Justiz gegen Berlusconi voreingenommen ist und es auf ihn abgesehen hat. 50 Prozent wiederum sind der Meinung, dass die Justiz nur ihre Arbeit mache, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. 8 Prozent halten Berlusconi für völlig unschuldig. Das zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos.

Berlusconi soll Steuerbetrug begangen haben – im Zusammenhang mit Geschäften seines Medienkonzerns. Davon sind die Mailänder Richter überzeugt. Sie hatten Berlusconi deshalb zu vier Jahren Haft verurteilt.

Jetzt urteilt der oberste Gerichtshof Italiens – das Kassationsgericht in Rom. Die Zeichen für den Ex-Premier stehen nicht gut. «Das Gericht wird das Urteil voraussichtlich bestätigen», schätzt SRF-Korrespondent Philipp Zahn. «So wie die Grosswetterlage ist, wäre es ein Wunder, wenn er frei gesprochen würde.»

Verjährung sei Dank

Zwar sei der Gerichtspräsident von Berlusconi ernannt worden und ihm deshalb wohlgesinnt. Doch das Gericht habe wenig Spielraum. «Es müsste sich schon sehr verrenken, um Argumente zu finden, die Entscheide von zwei Instanzen aufzuheben», sagt Zahn. Vorstellbare Manöver wären indes, dass das Gericht den Fall an die zweite Instanz zurückschickt oder den Entscheid vertagt.

Rechtsstreitigkeiten sind für den viermaligen Ministerpräsidenten zwar Routine – in seiner Vergangenheit sah er sich mit unzähligen Verfahren konfrontiert. Trotzdem: Eine rechtskräftige Verurteilung blieb aus. Allerdings endeten mehrere Verfahren wegen Verjährung.

Kein Gefängnis, sondern Hausarrest

Philipp Zahn

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Philipp Zahn ist SRF-Korrespondent für Italien und den Vatikan. Er lebt seit 1995 als freier Journalist in Rom. Philipp Zahn studierte Geschichte, Volkswirtschaftslehre und Philosophie in Berlin und Siena.

Das Kassationsgericht für diesen Fall vorgesorgt: Es hat den Anhörungstermin zur allgemeinen Überraschung kurzerhand vom November auf den 30. Juli vorverlegt.

Wird der 76-Jährige zu vier Jahren Haft verurteilt, müsste er wohl nicht ins Gefängnis. Denn einerseits würden ihm wegen einer Amnestie zwei Jahre erlassen. Eine Massnahme, die zu Berlusconis Regierungszeit eingeführt wurde, um die überfüllten Gefängnisse zu entlasten. Andererseits profitiert der Cavaliere von einem Altersbonus.

Philipp Zahn rechnet deshalb höchstens mit Hausarrest. Was Berlusconi aber fast empfindlicher treffen könnte: Er würde während fünf Jahren von allen politischen Ämtern ausgeschlossen. Und er würde seine parlamentarische Immunität verlieren.

Zerreissprobe für die Regierung

Der Verlust der Immunität könnte weiteren Verfahren gegen Berlusconi Auftrieb verleihen, sagt SRF-Korrespondent Zahn. Doch auch die Regierung wäre bei einer Verurteilung Berlusconis in Gefahr. Denn das Mitte-links-Bündnis von Ministerpräsident Enrico Letta wird von Berlusconis Volk der Freiheit (PDL) unterstützt. Der 76-Jährige gilt als Strippenzieher hinter den Kulissen. Die Rechte hat bereits mit einem Sturz der Regierung gedroht, sollte ihr Chef verurteilt werden.

Der SRF-Korrespondent spricht von einer Zerreissprobe. «Das Mitte-rechts-Bündnis könnte der Regierung das Vertrauen entziehen. Letta wäre gezwungen, die Krise auszurufen und es könnte zu Neuwahlen kommen», sagt Philipp Zahn. «Vermutlich wäre das Resultat eine Pattsituation, wie wir sie von den letzten Wahlen her kennen.»

Momentan sehe es allerdings eher so aus, dass die Anhänger Berlusconis Italien erst einmal in ein ruhigeres Fahrwasser führen wollten. Offenbar sei dies auch in Berlusconis Sinn, sagt der SRF-Korrespondent. Der Senator habe kürzlich in einem Zeitungsinterview zu Protokoll gegeben, dass seine juristischen Belange nichts mit der Lebensdauer der Regierung zu tun hätten.

Ob die Ära Berlusconi mit einem Schuldspruch tatsächlich beendet wird, steht in den Sternen. «Niemand kam bisher an Berlusconi vorbei», sagt Philipp Zahn.

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