Kurz vor neuen Gasverhandlungen zwischen Moskau und Kiew in Brüssel hat sich Russland in der Frage der ukrainischen Schulden in Milliardenhöhe unnachgiebig gezeigt.
Dass der russische Gazprom-Konzern erneut Gas auf Pump an das Nachbarland liefern könnte, halte er für unrealistisch, sagte Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow. «Die entscheidende Frage lautet: Wo ist das Geld? Ich hoffe wirklich, dass das diesmal geklärt wird», meinte er.
Zynische Worte aus Moskau
Tschischow rief die Europäische Union auf, der vor dem Staatsbankrott stehenden Ukraine das Geld zum Begleichen der Schulden vorzuschiessen. «Die Führung in Kiew erhält die nächste Tranche des Internationalen Währungsfonds wohl erst im Februar, und bis dahin kann man ohne Gas erfrieren», sagte der Diplomat.
Er rechne aber insgesamt mit einem positiven Ergebnis der Verhandlungen. «Beim bisher letzten Treffen konnten wir 90 Prozent der Probleme klären, es bleiben aber weiterhin 10 Prozent: die Schulden. Vielleicht sollten hier jene einspringen, die die Ukraine und ihre Führung so eifrig unterstützen», meinte Tschischow.
EU zeigt sich optimistisch
Derweil sieht EU-Energiekommissar Günther Oettinger im Gasstreit wichtige Voraussetzungen für eine Einigung erfüllt. «Wir haben viel erreicht», sagte Oettinger im «Morgenmagazin» des ZDF. Russland habe Gasverkäufe lange als politisches Instrument genutzt. «Wir mussten einen fairen Gaspreis aushandeln, der steht jetzt.»
Oettinger schätzte die Chance auf eine Einigung auf 50 Prozent. Russland müsse bereit sein, den Preis auch bei einem langen Winter und bei Gasknappheit in einigen Monaten zu halten. Die Ukraine wiederum sei praktisch insolvent, bekomme aber Milliardenhilfen und müsse nun einen Teil der Mittel für die Gaseinkäufe verwenden.
Knackpunkt der Gespräche ist laut Oettinger die Begleichung der Rechnungen an den russischen Gaslieferanten Gazprom durch die Ukraine. Die Regierung in Kiew benötige 1,5 Milliarden Dollar, um gut über den Winter zu kommen und die Lieferungen, wie von Russland verlangt, im Voraus begleichen zu können.
Kiew betrachte aber andere Aufgaben derzeit als wichtiger, etwa Gehälter zu zahlen, Strassen instand zu setzen und Waffen zu kaufen, bedauerte Oettinger. «Aber wir müssen sie letztendlich dazu bringen, dass sie einen Teil der Mittel für Gas ausgeben.» Das sei im Interesse der ukrainischen Gasversorgung ebenso notwendig wie im Hinblick auf die Transitleistungen Richtung Westeuropa.
Für Oettinger wird die Zeit knapp
Für Oettinger dürfte die Gesprächsrunde die letzte Chance auf eine Einigung sein, da er am Samstag offiziell ins Digitalressort der EU-Kommission wechselt. Danach sind der Slowake Maros Sefcovic und der Spanier Miguel Arias Canete für Energiethemen der EU zuständig.
Oettinger wies darauf hin, dass die ukrainischen Gasspeicher mit 17 Milliarden Kubikmetern so voll seien wie nie zuvor. Zudem lägen bereits 3,1 Milliarden Dollar auf einem Sonderkonto für die Ukraine bereit, so dass sich der offene Betrag auf 1,5 Milliarden Dollar belaufe. Die Verhandlungen in Brüssel sollen am Mittwochnachmittag beginnen und dürften sich bin zum Abend hinziehen.
Russland und die Ukraine hatten bereits 2006 und 2009 über Gaslieferungen gestritten, wodurch auch in Westeuropa im Winter weniger Gas angekommen war. Die EU bezieht rund ein Drittel ihres Gasbedarfs aus Russland. Etwa die Hälfte davon fliesst durch die Ukraine.