Nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal berichten lokale Medien, dass die Unterstützung in den Krisenregionen nur langsam anlaufe. Doch warum ist das so? SRF News hat mit SRF-Redaktor Frank Senn gesprochen, der – in Kathmandu vor Ort – mehr über die Hilfseinsätze zu berichten weiss. Seinen Schilderungen zufolge haben die Erschwernisse ganz verschiedene Gründe.
Infrastrukturelle Probleme
Zunächst seien es «infrastrukturelle Aspekte», welche einer unverzüglichen und umfassenden Bergung, Sicherstellung und Pflegung der Nepalesen entgegenstünden. Tatsächlich ist der einzige internationale Flughafen Nepals überlastet, die beschädigten Strassen nur schwer passierbar.
Und was vielleicht das schwerwiegendste Problem darstellt: Ob eine Telefon- oder Internetverbindung hergestellt werden kann – die für eine Bestandesaufnahme der Katastrophe doch unerlässlich wäre – ist nach dem Bericht von Frank Senn aktuell nach wie vor eine Glückssache.
Weiter kann schlimmstenfalls auch «die pure Verzweiflung» der Betroffenen eine koordinierte Hilfeleistung behindern. So berichtet Frank Senn von einem Helikopter, der in der Langtang-Region nahe der tibetischen Grenze zwischenlanden musste und hierauf von Zivilisten angegriffen wurde.
Kein soziales Netz
Dass sich die Menschen entsprechend irrational verhalten, ist angesichts ihrer Lage nachvollziehbar. Laut Frank Senn stehen sie, die nicht nur Familienangehörige und Freunde, sondern auch ihr Haus und ihre ganze Habe verloren haben, vor dem Nichts. Denn eine Versicherung, wie wir sie in der Schweiz kennen, habe keiner von ihnen.
Die mangelhafte soziale Struktur des Landes – die sich mitnichten mit der Organisation einer Schweiz oder eines anderen europäischen Landes vergleichen lasse – wird denn vielleicht auch nur bedingt durch politisches Engagement kompensiert. So sagt Senn, dass allmählich Stimmen laut würden, welche den Handlungswillen der Regierung kritisierten.
Der Staat Indien, so sei vor Ort bisweilen zu hören, scheine fast mehr für die Opfer zu tun. Doch gälte es laut Senn, diesen Vorwurf noch genauer abzuklären.
Zwei-Klassen-Rettung
Schliesslich muss Senn die Zwei-Klassen-Rettung bestätigen, mit welcher der Extrembergsteiger Reinhold Messner im Hessischen Rundfunk für Aufregung gesorgt hat: Tatsächlich bemühe man sich nach Kräften, die Touristen am Himalaya zu evakuieren, während die Menschen im Tiefland zunächst sich selbst überlassen blieben.
Und dies laut Senn aus dem fragwürdigen Grund, dass Bergrettungen für Helikopter-Gesellschaften – und die Agenten, die sie aufbieten – «schlicht lukrativer» sind. Konkret würden die findigen Unternehmer mehr an teuren Rettungen von Berggängern aus dem unwegsamen Gelände verdienen, als an der Bergung von mausarmen Nepalesen aus zertrümmerten Stadtteilen.
Dabei ist zu vermerken, dass sich die eingereisten Berggänger, die vom Beben unbeschadet geblieben sind, von ihrem Gang auf die Gipfel des Himalayas nicht abhalten lassen. So hat Frank Senn über einen Informanten vernommen, dass gleich mehrere Expeditionen am Berg auch nach der Katastrophe weiter in die Höhe ziehen wollten.
Familien stehen bereit
Wenn sich die Nepalesen, Tibeter und Inder angesichts der nur schleppend anlaufenden Hilfe also allemal auch selbst helfen müssen, kommt laut Frank Senn «der Familie eine umso grössere Bedeutung» zu. Man errichtet Notküchen für die Angehörigen und helfe den Verwandten überhaupt, wo sie der Hilfe bedürften.
Ob derweil die vielen Journalisten – laut Frank Senn schlafen sie in nepalesischen Hotels auf dem Boden, weil sie keinen Platz mehr finden – mehr hinderlich oder nützlich seien, werde sich zeigen. Laut Frank Senn sei es aber wichtig, dass «darüber berichtet wird, wie den bettelarmen Menschen zu helfen ist.»
Zum Beispiel Monika Brodmann
Eine solcher Bericht könnte etwa von Monika Brodmann handeln. Als leitende Ärztin im Inselspital Bern ist sie wegen eines zehnjärigen Jubiläums der internationalen medizinischen Zusammenarbeit ins nepalesische Lukla gereist. Für die überlebenden Opfer des Erdbebens haben sich die Feier und Brodmanns Reise als ein Glücksfall erwiesen. Die Ärztin nämlich hilft, wo sie kann; unverzüglich, unzimperlich.
Sie geht offene Brüche und Kopfverletzungen an und profitiert dabei – wie sie zu SRF sagt – «von einer unglaublichen Solidarität». Fallen die Spitalwände, wie geschehen, auch noch einmal in sich zusammen, werden sie nach Brodmanns Schilderungen gewiss auch ein zweites Mal wieder aufgebaut.