Tausende Ukrainer versammelten sich erneut auf dem Maidan Nesaleschnosti, dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz. Sie protestieren gegen den ukrainischen Präsidenten und für eine Annäherung an Westeuropa.
Doch nicht nur die Opposition, auch die Regierungspartei war aktiv. Etwa 3000 Menschen wurden mit Autobussen aus den Dörfern nach Kiew gekarrt – als von der Regierung bezahlte Demonstranten.
Kiew sei nicht das Aktionsfeld der Opposition, rief eine tiefe Bass-Stimme aus den Lautsprechern durch den eiskalten Wind. Eine ebenfalls von einem Tonband auf der Bühne abgespielte Frauenstimme meinte, man sei hier, um den Kurs des Präsidenten zu unterstützen. Man verurteile die separatistischen Proteste der Opposition auf dem Maidan.
Geschützt von der Polizei fand die Demonstration hinter einem hohen Zaun statt. Sie diente vor allem als Kulisse für die Berichterstattung des Staatsfernsehens. Denn die Regierung fühlt sich von der erstarkten Opposition in die Enge getrieben. Sie warnt vor einer Spaltung der Ukraine, welche von Separatisten aus dem Westen geschürt werde.
Schlachtrufe der vereinten Opposition
Tatsächlich halten sich auf dem Maidan viele Westukrainer auf. Seit jeher fordern sie vehement eine Ausrichtung der Ukraine Richtung EU. Die angereisten Demonstranten, etwa aus dem westlichen Lemberg, bilden jedoch mit der grossen Mehrheit der andern Protestierenden eine Einheit.
Viele Kiewer oder auch Ostukrainer, die bislang Mühe bekundet hatten mit den teils nationalistisch geprägten Forderungen aus der Westukraine, geben den Westukrainern heute gewissermassen Recht.
Parolen wie «Slava Ukrainje, gerojam slava» (Ruhm der Ukraine, Ehre unsern Helden), welche noch bis vor kurzem als Erkennungsparolen für Separatisten galten, mauserten sich in den letzten Tagen auf dem Maidan zu den Schlachtrufen der vereinten Opposition.
Der Protest auf dem Unabhängigkeitsplatz ist gewiss nicht rechtsradikal. Aber: Rechtsradikale erhielten angesichts der europa-politischen Zauderei des ukrainischen Präsidenten starken Auftrieb.
Witali Klitschko und Arseni Jatsenjuk sind die wohl prominentesten Anführer der Opposition. Aber auch der Ultranationalist und erklärte Antisemit Oleg Tiagnibok von der Partei Swoboda gilt als akzeptierter Teil der politischen Speerspitze der Opposition im Parlament.
Am Sonntag soll in Kiew abermals eine Grossdemonstration stattfinden. Die Organisatoren hoffen, dass sich bis zu einer Million Menschen im Stadtzentrum einfinden werden.